Lacunars Fluch, Teil 1: Der Auftrag (German Edition)
Kakerlaken!«
»Was? Du wagst es …?« Der Priester riss einen Dolch aus dem Gürtel. Offensichtlich war er ebenfalls kein Freund der Zylonen. Jetzt wurde es gefährlich, denn Jaryn war unbewaffnet. Was blieb ihm übrig? Er riss sich hastig Schal und Kapuze vom Kopf und rief: »Wahnsinniger! Du willst einen Achayanen angreifen?«
Der Mondpriester taumelte entgeistert zurück, als sich aus dem Kittel eines Zylonen ein Sonnenpriester schälte. »Was – was sind das für Narreteien!«, stieß er wütend hervor und steckte den Dolch weg.
»Geht dich nichts an, Herr über Schnecken und Gewürm! Ich habe meine Gründe für diese Verkleidung.«
Der Priester hatte sich gefasst. Seine Mundwinkel zuckten verächtlich. »Ist der Fall nicht ein bisschen tief, Zuckerpriester?«
Jaryn schäumte vor Wut. »Wer bist du? Sag deinen Namen! Ich werde dich vor Gericht bringen für deine Schmähungen.«
Herrisch glühten die Augen des anderen, falkengrau und kühn. Langes, blondes Haar fiel offen auf seine Schultern. »Vor Gericht willst du mich bringen, Achayane? Sag mir erst einmal deinen Namen, damit ich weiß, wer sich erfrecht, mir entgegenzutreten, du Novize, du!«
»Ein Geweihter bin ich!«, schrie Jaryn wutentbrannt. »Und Jaryn ist mein Name. Ich bin sicher, du wirst noch von ihm hören.« Er achtete nicht darauf, dass schon mehrere Leute stehen geblieben waren und das Wortgefecht der beiden verfolgten. Niemand wunderte sich darüber, die Feindschaft der beiden Tempel war bekannt.
»Nun Jaryn, du Hübscher, ich bin Gaidaron, der Neffe des Königs. Und wer ist dein Vater? Ein Zylone? Von ihm hast du wohl das prächtige Gewand geerbt.«
Statt ihm Widerworte zu geben, wurde Jaryn blass. »Du bist Gaidaron?«
»Da zittern dir die Knie, Milchbart, was?«
»Dann – dann bist du es nicht«, stammelte er, wandte sich ab und entfloh mit großen Schritten. Höhnisches Gelächter verfolgte ihn. »Wir sehen uns bei der nächsten Sonnenfinsternis, du Hübscher!«, rief Gaidaron ihm nach.
Jaryn hörte das nur mit halbem Ohr; er konnte nichts damit anfangen und hastete zurück in den Sonnentempel. Natürlich benutzte er den Hintereingang, an dem der treue Saric ihn schon erwartete und das goldene Gewand bereithielt, denn er ahnte, dass Jaryn das andere leid war. An der blassen Stirn und den heftigen Atemzügen erkannte er, dass es nicht gut gelaufen war. Rücksichtsvoll schweigend begleitete er Jaryn auf sein Zimmer. Auch Jaryn sagte nichts. Erst vor seiner Tür bat er Saric, mit hineinzukommen. Er hatte das Gefühl, ihm eine Erklärung für seinen erregten Zustand zu schulden. Schwer atmend ließ er sich in seinen Stuhl vor dem Schreibtisch fallen. »Setz dich, Saric.«
Dieser zog sich den Hocker heran. »Kann ich etwas für Euch tun, Herr? Eine Erfrischung vielleicht?«
»Später, Saric. Du siehst mich in einem unwürdigen Zustand. Ja, ich habe die Beherrschung verloren. Und ich bin geflohen. Warum? Weil ich unvorbereitet war. Aber ein Achayane ist stets auf alles gefasst, und wenn dennoch etwas eintritt, das ihn verblüfft oder erzürnt, dann hat er doch nach außen hart und glatt wie ein marmorner Pfeiler zu sein.«
»Eure Mission ist gescheitert?«
»Nein. Ich bin Gaidaron begegnet, aber er ist nicht der Mann, den ich suche. Frag mich nicht, warum ich das weiß.«
»Dann ist dieser Mann ausfallend geworden?«
Jaryn sah Saric erstaunt an. »Woher weißt du das?«
»Gaidaron ist für sein heftiges und anmaßendes Wesen bekannt. Er ist von hoher Geburt, gut aussehend, die rechte Hand Suthrannas und entsprechend hochmütig. Von Jugend an ist er gewohnt zu befehlen, und dass man ihm gehorcht. Niemand wünscht sich, ihn zum Feind zu haben.«
Trotzig schob Jaryn das Kinn vor. »Mag er mein Feind sein. Es wäre mir ohnehin schwergefallen, einem Mondpriester gegenüber Freundschaft zu heucheln. Sagischvar – er möge ewig leben – behauptet zwar, dass wir …« Jaryn zögerte. Saric brauchte nicht zu wissen, was Sagischvar behauptete, er war immer noch sein Diener. »Lassen wir das. Ich will diese unrühmliche Begegnung vergessen. Hast du Neuigkeiten von deinem Onkel?«
Saric nickte. »Da gab es eine Magd in der Kornmühle, Elmyra mit Namen, die schaffte dort lange Zeit. Weil sie gesund und kräftig war, überlebte sie die Knochenarbeit. Es hieß, in ihrer Jugend sei sie mit einer anderen Sklavin befreundet gewesen, man nannte sie ›Nachtblume‹. Diese Frau war eines Tages verschwunden.«
»Du meinst, diese
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