Lacunars Fluch, Teil 1: Der Auftrag (German Edition)
dieser von ihm wollte. Ausgerechnet von ihm, obwohl es einhundertzwölf Sonnenpriester gab, die niederen Ränge nicht mitgezählt. Aber er wagte nicht zu fragen. Neugier war eines Achayanen nicht würdig.
Der Junge kam rasch wieder. Er baute einen Tisch auf, verteilte Becher und Schüsseln, und in die Mitte stellte er einen großen Krug. Anamarna nahm ihn und füllte Jaryn den Becher mit klarem Wasser. »Du wirst Durst haben. Ich weiß, es ist ein weiter Weg von Margan und nicht einfach, die Rabenhügel zu durchqueren. Aber du bist ja jung und kräftig.«
Es schien Jaryn, als mustere ihn der Alte nach diesen Worten etwas skeptisch, aber er fügte nichts weiter hinzu. »Danke. Ich bin tatsächlich sehr durstig, denn mein Wasserschlauch ist schon seit Stunden leer.« Er nahm ein paar kräftige Schlucke. »Das tut gut«, murmelte er, obwohl er es nicht gewohnt war, Wasser zu trinken. In Margan bot man einem Sonnenpriester die besten Weine an, wenn er als Gast kam. Ja, bei dem Eremiten war alles anders. Er wohnte schließlich auch in einer Hütte, die man nicht einmal einem Diener angeboten hätte.
»Das will ich meinen, es ist frisches Quellwasser.«
»Aus Eurer berühmten Kurdurquelle?«, stieß Jaryn aufgeregt hervor. Er konnte es nicht fassen, dass ihm dieses wunderwirkende Wasser so ohne Weiteres angeboten worden war.
Anamarna nickte. »Ihr Wasser hält Körper und Geist gesund, aber die Legenden, die man über sie erzählt, wird ein geweihter Achayane doch nicht glauben?«
»Nein, natürlich nicht«, versicherte Jaryn rasch und wurde abermals rot.
Aven brachte einen Topf mit gedünstetem Gemüse, dazu Brot, gekochte Eier und würzigen Schafskäse. Dann verneigte er sich vor Jaryn. »Möge es dir munden, edler Abgesandter Achays.«
Jaryn nickte ihm mit starrer Miene zu. Niemals bedankte er sich bei einem Diener, weder mit Worten noch mit einem Lächeln, ja er beachtete ihn nicht einmal. Dass er ihm jetzt zugenickt hatte, war der Anwesenheit Anamarnas geschuldet. Dieser besaß genügend Feingefühl, den Knaben nicht zu bitten, am gemeinsamen Mahl teilzunehmen, wie Jaryn anfänglich befürchtet hatte. Denn ein Weiser schien ein unberechenbares Geschöpf zu sein, kein wirklich heiliger Mann wie ein Sonnenpriester.
Sie aßen schweigend. Jaryn fand den Gemüseeintopf ausgezeichnet, der Käse war mild, das Brot ofenfrisch. Er ärgerte sich, dass er an dem einfachen Mahl nichts beanstanden konnte. Kam es ihm nur so vor, oder schmeckte es ihm hier besser als im Tempel, wo ihm die ausgesuchtesten Speisen angeboten wurden? Nein, das war unmöglich, es musste an seinem langen Fußmarsch liegen, der seinen Appetit angeregt hatte.
Nach dem Essen hätte er gern geruht. Anamarna würde doch sicher ein Bett in seiner Hütte haben? Schlechter als im Wald würde er dort nicht schlafen. Durfte er ihn darum bitten, oder war das unhöflich? In den höchsten Kreisen Margans fand er sich mühelos zurecht, doch hier versagte seine Erziehung. Auf Menschen wie Anamarna war er nicht vorbereitet worden.
Dieser kam ihm zuvor, als könne er Gedanken lesen. »Sicher möchtest du jetzt ein wenig ruhen, Jaryn. Du kannst dich in der Hütte hinlegen. Ich leiste mir den Luxus eines Bettes. Der Strohsack ist recht bequem.«
Jaryn schluckte. Ein Strohsack? Er wusste es nicht mit Sicherheit, aber er ahnte, dass sich in solchen Sachen gern unangenehme Tierchen aufhielten. Außerdem war er bereits benutzt, entweder von Anamarna selbst oder, was noch schlimmer wäre, von diesem Diener, der es gewagt hatte, ihn heimlich anzuschauen.
»Wir können natürlich auch gleich die Sache besprechen, deretwegen du hier bist«, unterbrach Anamarna seine Überlegungen.
Jaryn zuckte zusammen. Hatte der Meister ihm etwas angesehen? Hatten ihm seine Bedenken auf der Stirn gestanden? »Das wäre mir lieb«, erwiderte er rasch. So gewann er Zeit, sich gedanklich mit dem Strohsack anzufreunden und konnte später in Ruhe über die Sache nachdenken.
»Wie du willst. Dann höre gut zu und merke dir alles, was ich dir sage. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass du als Priester zur Verschwiegenheit verpflichtet bist.«
»Nein. Das gebietet meine Ehre.«
»Gut. Es existieren ein Fluch und eine Prophezeiung. Von dieser wissen nur wenige, und das muss so bleiben. Du bist dazu bestimmt, uns vom Fluch zu erlösen und vielleicht auch, die Prophezeiung zu erfüllen.«
Anamarna machte eine absichtliche Pause, und Jaryn fragte prompt: »Warum ich?«
»Der Fluch
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