Lacunars Fluch, Teil 4: Rastafans Buße (German Edition)
ich, wir sind wie ein gespaltener Stamm. Den Baum fügst du niemals mehr zusammen.«
»Was hat das mit Versöhnung zu tun? Vielleicht könnt ihr nicht miteinander leben, aber die Vergebung geschieht im Herzen.«
»Ich kann ihm aber nicht vergeben, wenn ich nicht mit ihm leben kann, versteht Ihr das nicht? Ich bin der allerunwürdigste, niedrigste, verrückteste Mensch auf der Welt, denn ich liebe ihn ja immer noch!«
»Das habe ich gehört«, sagte da eine dunkle Stimme in seinem Rücken.
Jaryn fuhr herum und sah gerade noch, wie Rastafan sich den Staub von den Kleidern klopfte. »Du mieser, hinterlistiger …«
Rastafan ließ ihn nicht aussprechen. Er zog ihn zu sich heran und verschloss ihm die Lippen mit einem endlosen Kuss. Anamarna machte eine Kopfbewegung, und Caelian und Aven verschwanden mit ihm in der Hütte.
Ohne voneinander zu lassen, sanken sie auf die Bank. »Wir können nicht zusammenleben, Jaryn. Aber ich halte dich wirklich im Arm, ich durfte dich noch einmal küssen. Das ist mehr als ich jemals zu hoffen wagte. Wenn wir uns jetzt wieder trennen müssen …«
»Schluss! Schluss! Das ist ja nicht zum Aushalten!«, polterte Anamarna gutmütig und erschien mit einem Pergament unter dem Arm. Er warf es vor Jaryn auf den Tisch. »Du bist der Lacunar. Also tu es endlich!«
Jaryn sah ihn irritiert an. »Was denn?«
»Den Fluch aufheben natürlich.« Er klopfte auf das Pergament. »Hier steht es geschrieben. Jeder Lacunar kann den Fluch des ersten Herrschers dieses Namens beenden, indem er ihn kraft seines Amtes aufhebt. – Das heißt: Nein, nicht, bevor sich Rastafan bei dir entschuldigt hat. Hat er das?«
Jaryn nickte, noch völlig benommen.
»Dann tu es jetzt! Sage: ›Ich, Jaryn, Lacunar von Achlad, hebe diesen grausamen, ekelhaften und geschmacklosen Fluch für alle Zeiten auf.‹«
Rastafan schien schneller begriffen zu haben. Er lachte über das ganze Gesicht und stieß Jaryn an. »Ja, sag es!«
Mit zitternden Lippen und leiser Stimme wiederholte Jaryn, was Anamarna ihm gesagt hatte.
»Na, das war doch gar nicht so schwer«, schmunzelte Anamarna. »Und damit ist auch das Gesetz hinfällig geworden, dass es keine zwei Prinzen geben darf.«
Jaryn konnte noch nicht ganz folgen. »Warum hat es denn Caelians Vater nicht getan? Warum keiner der früheren Lacunare?«
»Weil es niemand gewusst hat. Erst diese Schrift, die ihr aus der Pyramide mitgebracht hat, sagt etwas darüber.«
Die Pyramide! Nun hatte sie doch Gutes gestiftet! Er sah Rastafan mit glänzenden Augen an. Aber was war denn das? Waren diese silbrigen Tropfen auf seinen Wangen etwa Tränen? Jaryn küsste sie ihm fort, und Rastafan sagte: »Wehe, wenn du das jemandem erzählst!«
Ein merkwürdiges Geräusch ließ sie aufmerken. An der Hüttenwand standen Caelian und Aven. Sie hatten sich bei den Händen gefasst und schluchzten um die Wette. Anamarna aber war stillschweigend in der Hütte verschwunden. Seine Gefühle glichen der Oberfläche eines stillen Sees. An ihm waren all die Tränen, Wutausbrüche und Bitten um Verzeihung vorübergezogen wie eine Sommerbrise, denn er hatte gewusst, wie das Lehrstück ausgehen würde.
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