Lacunars Fluch, Teil 4: Rastafans Buße (German Edition)
erkannte, war er sofort hellwach. Das Pergament flog in eine Ecke, und Caelian stürzte auf ihn zu. »Aven! Was machst du denn hier?« Wild und stürmisch umarmten sie sich. »Aven, Aven! Du bringst den Geruch der Heimat mit dir!« Dann trat Caelian einen Schritt zurück. »Anamarna ist doch nichts passiert?«
Aven schüttelte den erhitzten Kopf. »Nein, dieser wunderbare alte Mann wird jeden Tag jünger, wie es scheint. An ihm scheint sich das Wunder des Kurdurwassers wirklich zu vollziehen.«
»Oh Aven!« Caelian umarmte ihn noch einmal und küsste ihm das staubige Haar und die ausgedörrten Lippen. »Ich freue mich so, dich zu sehen. Du bringst also keine schlechte Kunde aus Jawendor?«
»Nichts Schlechtes, aber viel Neues«, lächelte Aven und sah sich neugierig in der Wohnhöhle um. »Das ist wirklich schön hier. Für Anamarna haben wir damals extra eine Hütte gebaut, aber wir hätten die Felshöhle weiter ausbauen sollen.«
»Jaja«, rief Caelian ungeduldig. »Jetzt trinken wir erst einmal ein kühles Bier, du musst ja geritten sein wie der Sturmvogel. Was war denn so dringend? Nun setz dich doch!«
Aven ließ sich in einen fellbedeckten Sessel aus Korbgeflecht fallen. »Ihr habt hier kaltes Bier?«
»Natürlich. Dachtest du, hier leben Zylonen? Hinten im Fels gibt es kühle Kammern. Warte, ich hole es.«
Etwas später saßen sie beieinander, und Aven schlürfte mit Behagen das kühle Getränk. »Besser als Kurdurwasser?«, grinste Caelian.
Aven schüttelte den Kopf. »Nein, aber fast genauso gut. Ist Jaryn nicht bei dir?«
»Er ist ausgeritten.«
»Ohne dich?«
»Er …« Caelian zögerte. Er wollte Aven nicht gleich mit den Ereignissen überfallen, außerdem war er viel zu neugierig auf das, was Aven zu berichten hatte. »Ich reite nicht so gern, weißt du.«
Von Rastafan gab es nichts Aufregendes zu erzählen. Er herrschte besonnen und wurde immer beliebter im Volk. Bei Anamarna halte sich jedoch seit einiger Zeit ein Gast auf.
»Nein, kein Gast«, verbesserte sich Aven. »Suthranna wird wohl für immer bleiben.«
»Was? Suthranna ist bei Anamarna? Und wer ist jetzt Obermondpriester?« Kaum hatte Caelian die Frage gestellt, hielt er Aven schnell den Mund zu. »Nein, sprich es nicht aus! Ist es …?«
Aven nickte, und Caelian gab seinen Mund frei. »Ja, es ist Gaidaron.«
»Dreifach geschwänzter Knochenfresser! Wer hat ihn denn zum Herrn des Mondtempels gemacht?«
Aven zuckte die Achseln. »Suthranna, wer sonst? Aber ich habe ihn nicht fragen wollen, geht mich ja auch nichts an. Suthranna hat begonnen, in der Nähe der Kurdurquelle Hütten zu bauen.«
»Wozu um Zarads willen? Wer will denn noch alles dort wohnen?«
»Keine Wohnhütten. Es sollen Hospitale sein. Häuser für die Kranken und Siechen, die sich dort behandeln lassen und erholen können.«
»Oh!« Caelian war beeindruckt. »Das ist wunderbar. Deshalb also hat Suthranna sein Amt aufgegeben. Er will wirklich helfen. Und wir Mondpriester haben die Erfahrung und die Mittel dazu. Eine prächtige Idee.«
»Ja. Anamarna war zuerst nicht so begeistert, denn wie du weißt, liebt er die Ruhe. Aber dann ließ er sich von Suthrannas Eifer anstecken, und nun ist er selbst der größte Befürworter dieser Einrichtung. Es werden nämlich nur Leute aufgenommen, die keinen Arzt bezahlen können. Reiche werden abgewiesen.«
»Und wer hilft Suthranna? Er kann das doch unmöglich allein bewerkstelligen?«
»Einige Mondpriester und Tempelsklaven sind mit ihm gegangen. Außerdem wirbt er im Land gute Leute an.«
Caelian durchzuckte kurz der Gedanke, dass er selbst dort mithelfen könne. Dann brauchte er Gaidarons Nähe nicht zu ertragen – wenn er denn überhaupt den Entschluss fasste, nach Jawendor zurückzukehren. Doch davon sagte er Aven nichts.
»Und die Schriften? Hat Anamarna sie übersetzen können?«
»Er ist fertig, aber über den Inhalt hat er sich ausgeschwiegen, nur Andeutungen gemacht. So ist er eben.«
»Ich bin furchtbar neugierig, was in ihnen steht. Am liebsten würde ich gleich die Sachen packen und mit dir gehen, aber Jaryn …«
»Was ist mit ihm?«
»Ach, er darf ja nicht zurück, du weißt es. Deshalb hat er sich entschieden, für immer hierzubleiben.«
»Und du?«
»Ach, ich weiß nicht …«
»Auf alle Fälle kommt ihr beide mit mir mit. Deshalb bin ich doch hier. Ich soll euch beiden eine Einladung von Anamarna überbringen.«
»Eine Einladung? Was will er denn von uns?«
»Das will er nur euch
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