Lacunars Fluch, Teil 4: Rastafans Buße (German Edition)
mehr Entfaltungsmöglichkeiten und war nicht nur ein Prinz für schöne Tage.
Da seine vorläufige Residenz in Araboor schwer für die anderen zu erreichen war und das enge Tal auch nicht genügend Raum bot, verlegte er seine Regierungsgeschäfte häufiger nach Phedras, die an der Karawanenroute lag und wo kurzerhand je nach Bedarf eine Zeltstadt aufgebaut werden konnte. Dort hörte sich Jaryn ihre Beschwerden an, informierte sich über grundsätzliche Probleme im Land und erkundigte sich, wie man bisher mit ihnen umgegangen war. Er wollte die Bräuche der Achladier, soweit sie ihm gut erschienen, nicht verletzen. Auf guten Rat hörte er, unsinnigen Forderungen, die nur auf die eigenen Vorteile zielten, trat er scharf entgegen. Jenen Prinzen, der sich einst einem Achhardin gebeugt hatte, gab es nicht mehr.
Der Mann, der ein Sonnenpriester gewesen und jetzt Lacunar war, hatte sich gehäutet. Seine angeborene Fähigkeit zu führen, trat erst in Achlad klar zutage. Die karg bemessene freie Zeit widmete er dem Reiten und Bogenschießen. Es waren harte Tage gewesen, denn es war ein Unterschied, ob er auf Laila ritt, oder ob es mit den Schwarzen Reitern im rasenden Galopp über Stock und Stein ging, sodass er danach tagelang nicht sitzen konnte. Nebenbei sollte er auch noch den Bogen handhaben und die Pfeile ins Ziel schießen. Dazu musste er die Zügel fahren lassen und freihändig reiten. Wie oft er dabei schon vom Pferd gefallen war, konnte er nicht zählen. Wenn er an dieser Aufgabe verzweifelte, richtete ihn Caelian immer wieder auf. Auch die Schwarzen Reiter, die Jaryn als Mensch schätzen lernten, aber seinen Reit- und Bogenkünsten kein Zutrauen entgegenbrachten, lobten zuerst seinen eisernen Willen, dann aber seine Fortschritte.
Wäre Jaryn vom Sonnentempel nach Araboor versetzt worden, hätte er wahrscheinlich völlig versagt, aber die Geschehnisse hatten ihn hart gemacht. Hart gegen sich selbst, was das Ertragen von Schmerzen und Mühen anging, doch sein Herz war nicht davon betroffen. »Wie kann jemand wie ich, der von den Toten auferstanden ist, Elend, Tod oder Ungerechtigkeit ertragen wollen?«, hatte er einmal zu Caelian gesagt. Aber er wusste auch, dass er es ohne den Freund nicht geschafft hätte.
Jedoch in dem neuen Amt stürmten so viele Pflichten auf Jaryn ein, dass er sich um Caelian kaum kümmern konnte, und dieser fühlte sich vernachlässigt. Er beschwerte sich nicht, hatte er doch Jaryn selbst vorgeschlagen, aber auf die Dauer wurde ihm die Zeit lang. Das raue Leben der Männer in Araboor war vorübergehend ganz aufregend gewesen, aber langsam begann er, sich nach dem Mondtempel zu sehnen. Nach dem altvertrauten Gemäuer, den aromatischen Düften seiner Küche und seiner Kräuterstube, in der er Gifte in heilende Medizin verwandelt hatte. Was er zurückgelassen hatte, erschien im größer und schöner als in Wirklichkeit. Selbst Gaidarons Nachstellungen schrumpften in der Erinnerung zu albernen Spielchen. Er wollte in der behaglichen Bücherstube bei Auron sitzen und über alte Märchen und Legenden reden, nicht Flüche oder Triumphschreie über einen ins Ziel getroffenen Pfeil hören.
Jaryn merkte nichts davon, weil er Caelian immer seltener sah und dieser zudem seine Gefühle vor ihm verbarg. Er schämte sich ihrer, denn er hatte geschworen, immer an Jaryns Seite zu bleiben. Das wollte er auch, aber nicht hier. Doch Jaryns Platz als Lacunar konnte nirgendwo anders sein. Er selbst hatte ihn dazu überredet, weil er das Märchen von zwei uralten Schwestern in seinem Sinne gedeutet hatte. Bald wusste er nicht mehr, ob er damit töricht oder klug gehandelt hatte.
Hätte Jaryn gewusst, wie es in seinem Freund aussah, hätte er ihn beiseite genommen, ihn umarmt und tröstende Worte gesprochen, vielleicht auch Versprechen abgegeben, die er nicht halten konnte. Das wollte Caelian verhindern, deshalb schwieg er.
Da erschien eines Tages ein junger Mann auf einem abgehetzten Pferd in Araboor. Jaryn war natürlich wieder einmal unterwegs, und so führte man ihn zu Caelian, der mürrisch über einigen verstaubten Pergamenten saß, die ihm seine Schwester zur Lektüre überlassen hatte. Natürlich hätte er auch in Faemaran leben können, aber dort kannte er niemanden, und seine Schwester war endgültig Priesterin der Alathaia geworden. Auch sie hatte ihren Weg gefunden. Nur er hockte in diesem Felsennest und lebte das Leben eines anderen.
Aber als der junge Mann zu ihm geführt wurde und er ihn
Weitere Kostenlose Bücher