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L'Adultera

L'Adultera

Titel: L'Adultera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ihr, und sie fühlte, daß ein Schatten auf die heiteren Bilder ihrer Seele fiel.
    Endlich aber zog es auch sie hinaus, und sie wollte die Stadt wieder sehen, die Stadt und bekannte
    Menschen. Aber wen? Sie konnte nur bei der Freun-
    din, bei dem Musikfräulein, vorsprechen. Und sie tat es auch, ohne daß sie schließlich eine Freude davon gehabt hätte. Anastasia kam ihr vertraulich und beinah überheblich entgegen, und in begreiflicher Ver-

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    stimmung darüber kehrte Melanie nach Hause zu-
    rück. Auch hier war nicht alles, wie es sein sollte, das Vrenel in schlechter Laune, die Zimmer überheizt,
    und ihre Heiterkeit kam ihr erst wieder, als sie Rubehns Stimme draußen auf dem Vorflur hörte.
    Und nun trat er ein.
    Es war um die Teestunde, das Wasser brodelte
    schon, und sie nahm des geliebten Mannes Arm und
    schritt plaudernd mit ihm über den dicken, türki-
    schen Teppich hin. Aber er litt von der Hitze, die sie mit ihrem Taschentuche vergeblich fortzufächeln
    bemüht war. »Und nun sind wir im Norden!« lachte
    er. »Und nun sage, haben wir im Süden je so was
    von Glut und Samum auszuhalten gehabt?«
    »O doch, Ruben. Entsinnst du dich noch, als wir das erstemal nach dem Lido hinausfuhren? Ich wenigstens vergess' es nicht. All mein Lebtag hab' ich mich nicht so geängstigt wie damals auf dem Schiff: erst die Schwüle und dann der Sturm. Und dazwischen
    das Blitzen. Und wenn es noch ein Blitzen gewesen
    wäre! Aber wie feurige Laken fiel es vom Himmel.
    Und du warst so ruhig.«
    »Das bin ich immer, Herz, oder such' es wenigstens
    zu sein. Mit unserer Unruhe wird nichts geändert und noch weniger gebessert.«
    »Ich weiß doch nicht, ob du recht hast. In unserer
    Angst und Sorge beten wir, auch wir, die wir's in
    unseren guten Tagen an uns kommen lassen. Und

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    das versöhnt die Götter. Denn sie wollen, daß wir
    uns in unserer Kleinheit und Hilfsbedürftigkeit fühlen lernen. Und haben sie nicht recht?«
    »Ich weiß nur, daß du recht hast. Immer. Und dir zuliebe sollen auch die Götter recht haben. Bist du zufrieden damit?«
    »Ja und nein. Was Liebe darin ist, ist gut, oder ich hör' es wenigstens gern. Aber...«
    »Lassen wir das ›Aber‹ und nehmen wir lieber unse-
    ren Tee, der uns ohnehin schon erwartet. Und er hilft auch immer und gegen alles und wird uns auch aus
    dieser afrikanischen Hitze helfen. Um aber sicher zu gehen, will ich doch lieber noch das Fenster öffnen.«
    Und er tat's, und unter dem halb aufgezogenen Rou-
    leau hin zog eine milde Nachtluft ein.
    »Wie mild und weich«, sagte Melanie.
    »Zu weich«, entgegnete Rubehn. »Und wir werden
    uns auf kältere Luftströme gefaßt machen müssen.«
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Inkognito
    Melanie war froh, wieder daheim zu sein.
    Was sich ihr notwendig entgegenstellen mußte, das
    übersah sie nicht, und die Furcht, der Rubehn Aus-

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    druck gegeben hatte, war auch ihre Furcht. Aber sie war doch andrerseits sanguinischen Gemüts genug,
    um der Hoffnung zu leben, sie werd' es überwinden.
    Und warum sollte sie's nicht? Was geschehen, er-
    schien ihr, der Gesellschaft gegenüber, so gut wie
    ausgeglichen; allem Schicklichen war genügt, alle
    Formen waren erfüllt, und so gewärtigte sie nicht,
    einer Strenge zu begegnen, zu der die Welt in der
    Regel nur greift, wenn sie's zu müssen glaubt, vielleicht einfach in dem Bewußtsein davon, daß, wer in einem Glashause wohnt, nicht mit Steinen werfen
    soll.
    Melanie gewärtigte keines Rigorismus. Nichtsdesto-
    weniger stimmte sie dem Vorschlage bei, wenigstens
    während der nächsten Wochen noch ein Inkognito
    bewahren und erst von Neujahr an die nötigsten Be-
    suche machen zu wollen.
    So war es denn natürlich, daß man den Weihnachts-
    abend im engsten Zirkel verbrachte. Nur Anastasia,
    Rubehns Bruder und der alte Frankfurter Prokurist,
    ein versteifter und schweigsamer Junggeselle, dem
    sich erst beim dritten Schoppen die Zunge zu lösen
    pflegte, waren erschienen, um die Lichter am
    Christbaum brennen zu sehen. Und als sie brannten,
    wurd' auch das Aninettchen herbeigeholt, und Mela-
    nie nahm das Kind auf den Arm und spielte mit ihm
    und hielt es hoch. Und das Kind schien glücklich und lachte und griff nach den Lichtern.
    Und glücklich waren alle, besonders auch Rubehn,
    und wer ihn an diesem Abende gesehen hätte, der

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    hätte nichts von Behagen und Gemütlichkeit an ihm
    vermißt. Alles Amerikanische war abgestreift.
    In dem Nebenzimmer war inzwischen ein kleines
    Mahl serviert worden, und als

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