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L'Adultera

L'Adultera

Titel: L'Adultera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Schmerzes
    ein unendliches Glück: die Nähe des geliebten Man-
    nes.
    Und sie hatte wohl recht, sich dieses Glückes zu
    freuen. Denn alle Tugenden Rubehns zeigten sich um
    so heller, je trüber die Tage waren. Er kannte nur
    Rücksicht; keine Mißstimmung, keine Klage wurde
    laut, und über das Vornehme seiner Natur wurde die
    Zurückhaltung darin vergessen.
    Und so vergingen trübe Wochen.
    Ein deutscher Arzt endlich, den man zu Rate zog,
    erklärte, daß vor allem das Stillsitzen vermieden,
    dagegen umgekehrt für beständig neue Eindrücke
    gesorgt werden müsse. Mit anderen Worten, das,
    was er vorschlug, war ein beständiger Orts- und
    Luftwechsel. Ein solch tagtägliches Hin und Her sei freilich selber ein Übel, aber ein kleineres, und je-157
    denfalls das einzige Mittel, der inneren Ruhelosigkeit abzuhelfen.
    Und so wurden denn neue Reisepläne geschmiedet
    und von der Kranken apathisch angenommen.
    In kurzen Etappen, unter geflissentlicher Vermeidung von Eisenbahn und großen Straßen, ging es, durch
    Umbrien, immer höher hinauf an der Ostküste hin,
    bis sich plötzlich herausstellte, daß man nur noch
    zehn Meilen von Venedig entfernt sei. Und siehe, da kam ihr ein tiefes und sehnsüchtiges Verlangen, ihrer Stunde dort warten zu wollen. Und sie war plötzlich wie verändert und lachte wieder und sagte: »Della
    Salute! Weißt du noch?... Es heimelt mich an, es
    erquickt mich: das Wohl, das Heil! Oh, komm. Dahin
    wollen wir.«
    Und sie gingen, und dort war es, wo die bange Stun-
    de kam. Und einen Tag lang wußte der Zeiger nicht,
    wohin er sich zu stellen habe, ob auf Leben oder Tod.
    Als aber am Abend, von über dem Wasser her, ein
    wunderbares Läuten begann und die todmatte Frau
    auf ihre Frage »von wo« die Antwort empfing »von
    Della Salute«, da richtete sie sich auf und sagte:
    »Nun weiß ich, daß ich leben werde.«
    18

Wieder daheim
    Und ihre Hoffnung hatte sie nicht betrogen. Sie ge-
    nas, und erst als die Herbsttage kamen und das Ge-

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    deihen des Kindes und vor allem auch ihr eigenes
    Wohlbefinden einen Aufbruch gestattete, verließen
    sie die Stadt, an die sie sich durch ernste und heitere Stunden aufs innigste gekettet fühlten, und gingen in die Schweiz, um in dem lieblichsten der Täler, in
    dem Tale »zwischen den Seen«, eine neue vorläufige
    Rast zu suchen.
    Und sie lebten hier glücklich-stille Wochen, und erst als ein scharfer Nordwest vom Thuner See nach dem
    Brienzer hinüberfuhr und den Tag darauf der Schnee
    so dicht fiel, daß nicht nur die »Jungfrau«, sondern auch jede kleinste Kuppe verschneit und vereist ins Tal herniedersah, sagte Melanie: »Nun ist es Zeit. Es kleidet nicht jeden Menschen das Alter und nicht je-de Landschaft der Schnee. Der Winter ist in diesem
    Tale nicht zu Haus oder paßt wenigstens nicht recht hierher. Und ich möchte nun wieder da hin, wo man sich mit ihm eingelebt hat und ihn versteht.«
    »Ich glaube gar«, lachte Rubehn, »du sehnst dich
    nach der Rousseau-Insel!«
    »Ja«, sagte sie. »Und nach viel anderem noch. Sieh, in drei Stunden könnt' ich von hier aus in Genf sein und das Haus wiedersehen, darin ich geboren wurde.
    Aber ich habe keine Sehnsucht danach. Es zieht mich nach dem Norden hin, und ich empfind' ihn mehr und mehr als meine Herzensheimat. Und was auch dazwischen liegt, er muß es bleiben.«

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    Und an einem milden Dezembertage waren Rubehn
    und Melanie wieder in der Hauptstadt eingetroffen
    und mit ihnen die Vreni oder »das Vrenel«, eine der-be schweizerische Magd, die sie, während ihres Auf-
    enthalts in Interlaken, zur Abwartung des Kindes
    angenommen hatten. Eine vorzügliche Wahl. Am
    Bahnhof aber waren sie von Rubehns jüngerem Bru-
    der empfangen und in ihre Wohnung eingeführt wor-
    den: eine reizende Mansarde, dicht am Westende
    des Tiergartens, ebenso reich wie geschmackvoll
    eingerichtet und beinah Wand an Wand mit Duque-
    de. »Sollen wir gute Nachbarschaft mit ihm halten?«
    hatten sie sich im Augenblick ihres Eintretens unter gegenseitiger Heiterkeit gefragt.
    Melanie war sehr glücklich über Wohnung und Ein-
    richtung, überhaupt über alles, und gleich am ande-
    ren Vormittage setzte sie sich, als sie allein war, in eine der tiefen Fensternischen und sah auf die bereif-ten Bäume des Parks und auf ein paar Eichkätzchen,
    die sich haschten und von Ast zu Ast sprangen. Wie
    oft hatte sie dem zugesehen, wenn sie mit Liddi und Heth durch den Tiergarten gefahren war! Es stand
    plötzlich alles wieder vor

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