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L'Adultera

L'Adultera

Titel: L'Adultera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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altrömische Theater zeigen
    wollte, das sich hier befindet. Es war ein kalter Tag, und mich fror in dem eisigen Winde, der ging, aber
    ich freue mich doch, es gesehen zu haben. Wie be-
    schreib' ich es Dir nur? Du mußt Dir das Opernhaus
    denken, aber nicht an einem gewöhnlichen Tage,
    sondern an einem Subskriptionsballabend, und an
    der Stelle, wo die Musik ist, rundet es sich auch
    noch. Es ist nämlich ganz eiförmig und
    amphitheatralisch, und der Himmel als Dach dar-
    über, und ich würd' es alles sehr viel mehr noch genossen haben, wenn ich mich nicht hätte verleiten
    lassen, in einem benachbarten Restaurant ein Sala-
    mifrühstück zu nehmen, das mir um ein Erhebliches
    zu national war.

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    Die Woche darauf kamen wir nach Florenz, und wenn
    ich Duquede wäre, so würd' ich sagen: es wird über-
    schätzt. Es ist voller Engländer und Bilder, und mit den Bildern wird man nicht fertig. Und dann haben
    sie die ›Cascinen‹, etwas wie unsre Tiergarten- oder Hofjägerallee, worauf sie sehr stolz sind, und man
    sieht auch wirklich Fuhrwerke mit sechs und zwölf
    und sogar mit vierundzwanzig Pferden. Aber ich habe sie nicht gesehen und will Dich durch Zahlenangaben nicht beirren. Über den Arno führt eine Budenbrücke, nach Art des Rialto, und wenn Du von den vielen
    Kirchen und Klöstern absehen willst, so gilt der alte Herzogspalast als die Hauptsehenswürdigkeit der
    Stadt. Und am schönsten finden sie den kleinen
    Turm, der aus der Mitte des Palastes aufwächst,
    nicht viel anders als ein Schornstein mit einem Kranz und einer Galerie darum. Es soll aber sehr originell gedacht sein. Und zuletzt findet man es auch. Und in der Nähe befindet sich eine lange schmale Gasse, die neben der Hauptstraße herläuft und in der beständig Wachteln am Spieß gebraten werden. Und alles
    riecht nach Fett, und dazwischen Lärm und Blumen
    und aufgetürmter Käse, so daß man nicht weiß, wo
    man bleiben und ob man sich mehr entsetzen oder
    freuen soll. Aber zuletzt freut man sich, und es ist eigentlich das Hübscheste, was ich auf meiner ganzen Reise gesehen habe. Natürlich Rom ausgenom-
    men. Und nun bin ich in Rom.
    Aber Herzens-Jacobine, davon kann ich Dir heute
    nicht schreiben, denn ich bin schon auf dem vierten Blatt, und Ruben wird ungeduldig und wirft aus seiner dunklen Ecke Konfetti nach mir, trotzdem wir

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    den Karneval längst hinter uns. haben. Und so brech'
    ich denn ab und tue nur noch ein paar Fragen.
    Freilich, jetzt, wo ich die Fragen stellen will, wollen sie mir nicht recht aus der Feder, und Du mußt sie
    erraten. Rätsel sind es nicht. In Deiner Antwort sei schonend, aber verschweige nichts. Ich muß das
    Unangenehme, das Schmerzliche tragen lernen. Es
    ist nicht anders. Über all das geb' ich mich keinen Illusionen hin. Wer in die Mühle geht, wird weiß. Und die Welt wird schlimmere Vergleiche wählen. Ich
    möchte nur, daß bei meiner Verurteilung über die
    ›mildernden Umstände‹ nicht ganz hinweggegangen
    würde. Denn sieh, ich konnte nicht anders. Und ich
    habe nur noch den einen Wunsch, daß es mir vergönnt sein möchte, dies zu beweisen. Aber dieser Wunsch wird mir versagt bleiben, und ich werd' allen Trost in meinem Glück und alles Glück in meiner Zu-rückgezogenheit suchen und finden müssen. Und das
    werd' ich. Ich habe genug von dem Geräusch des
    Lebens gehabt, und ich sehne mich nach Einkehr und
    Stille. Die hab' ich hier. Ach, wie schön ist diese Stadt, und mitunter ist es mir, als wär' es wahr und als käm' uns jedes Heil und jeder Trost aus Rom und nur aus Rom. Es ist ein seliges Wandeln an diesem
    Ort, ein Sehen und Hören als wie im Traum.
    Und nun, meine süße Jacobine, lebe wohl und
    schreibe recht, recht viel und recht ausführlich. Es interessiert mich alles, und ich sehne mich nach
    Nachricht, vor allem nach Nachricht... Aber Du weißt es ja. Nichts mehr davon. Immer die Deine.

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    Melanie R.«
    Der Brief wurde noch denselben Abend zur Post ge-
    geben, in dem dunklen Gefühl, daß eine rasche Be-
    förderung auch eine rasche Antwort erzwingen kön-
    ne. Aber diese Antwort blieb aus, und die darin liegende Kränkung würde sehr schmerzlich empfunden
    worden sein, wenn nicht Melanie, wenige Tage nach
    Absendung des Briefes, in ihre frühere Melancholie
    zurückverfallen wäre. Sie glaubte bestimmt, daß sie sterben werde, versuchte zu lächeln und brach doch
    plötzlich in einen Strom von Tränen aus. Denn sie
    hing am Leben und genoß inmitten ihres

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