L'Adultera
aber Musiker und enthusiastischer Wagnerianer war, auf
welchen »Titul« hin, wie van der Straaten sich aus-
drückte, Melanie seine Aufnahme betrieben und
durchgesetzt hatte. Die bei dieser Gelegenheit abgegebene Bemerkung ihres Eheherrn, »daß er gegen
den Aufzunehmenden nichts einzuwenden habe,
wenn er einfach übertreten und seine Zugehörigkeit
zu der alleinseligmachenden Musik offen und ehrlich 29
aussprechen wolle«, war von dem immer gutgelaun-
ten Elimar mit der Bitte beantwortet worden, »ihm
diesen Schritt erlassen zu wollen, und zwar einfach deshalb, weil doch schließlich nur das Gegenteil von dem Gewünschten dabei herauskommen würde.
Denn während er jetzt als Maler allgemein für einen Musiker gehalten werde, werd' er als Musiker sicherlich für einen Maler gehalten und dadurch vom
Standpunkte des Herrn Kommerzienrats aus in die
relativ höhere Rangstufe wieder hinaufgehoben wer-
den«.
Diesem Verwandten- und Freundeskreise waren die
zu heute sieben Uhr Geladenen entnommen. Denn
van der Straaten liebte die Spätdiners und erging
sich mitunter in nicht üblen Bemerkungen über den
gewaltigen Unterschied zwischen einer um vier Uhr
künstlich hergestellten und einer um sieben Uhr na-
türlich erwachsenen Dunkelheit. Eine künstliche Vier-Uhr-Dunkelheit sei nicht besser als ein junger Wein, den man in einen Rauchfang gehängt und mit
Spinnweb umwickelt habe, um ihn alt und ehrwürdig
erscheinen zu lassen. Aber eine feine Zunge schme-
cke den jungen Wein und ein feines Nervensystem
schmecke die junge Dunkelheit heraus. Bemerkun-
gen, die, namentlich in ihrer »das feine Nervensys-
tem« betonenden Schlußwendung, von Melanie re-
gelmäßig mit einem allerherzlichsten Lachen beglei-
tet wurden.
Das van der Straatensche Stadthaus - wodurch es
sich, neben anderem, von der mit allem Komfort
ausgestatteten Tiergartenvilla unterschied - hatte
30
keinen eigentlichen Speisesaal, und die zwei großen und vier kleinen Diners, die sich über den Winter hin verteilten, mußten in dem ersten, als Entree dienen-den Zimmer der großen Gemäldegalerie gegeben
werden. Es griff dieser Teil der Galerie noch aus dem rechten Seitenflügel in das Vorderhaus über und lag unmittelbar hinter Melanies Zimmer, aus dem denn
auch, sobald die breiten Flügeltüren sich öffneten, der Eintritt stattfand.
Und wie gewöhnlich, so auch heute. Van der Straa-
ten nahm den Arm seiner blonden Schwägerin, Du-
quede den Melanies, während die vier anderen Her-
ren paarweise folgten, eine herkömmliche Form des
Aufmarsches, bei der der Major ebenso geschickt
zwischen den beiden Malern zu wechseln als den
Polizeirat zu vermeiden wußte. Denn so bereit und
ergeben er war, die Geschichten Reiffs bei Tag oder Nacht über sich ergehen zu lassen, so konnt' er sich doch nicht entschließen, ihm ebenbürtig den Arm zu
bieten. Er stand vielmehr ganz in den Anschauungen
seines Standes und bekannte sich, mit einem durch
persönliches Fühlen unterstützten Nachdruck, zu
dem alten Gegensatze von Militär und Polizei.
Jeder der Eintretenden war an dieser Stelle zu Haus und hatte keine Veranlassung mehr zum Staunen
und Bewundern. Wer aber zum ersten Male hier ein-
trat, der wurde sicherlich durch eine Schönheit überrascht, die gerade darin ihren Grund hatte, daß der als Speisesaal dienende Raum kein eigentlicher Speisesaal war. Ein reichgegliederter Kronleuchter von
französischer Bronze warf seine Lichter auf eine von 31
guter italienischer Hand herrührende prächtig einge-rahmte Kopie der Veronesischen »Hochzeit zu Ca-
na«, die von Uneingeweihten auch wohl ohne weite-
res für das Original genommen wurde, während
daneben zwei Stilleben in fast noch größeren und
reicheren Barockrahmen hingen. Es waren, von eini-
ger vegetabilischer Zutat abgesehen, Hummer, Lachs
und blaue Makrelen, über deren absolute Naturwahr-
heit sich van der Straaten in der ein für allemal ge-münzten Bewunderungsformel ausließ, »es werd'
ihm, als ob er taschentuchlos über den Cöllnischen
Fischmarkt gehe«.
Nach hinten zu stand das Buffet, und daneben war
die Tür, die mit der im Erdgeschoß gelegenen Küche
bequeme Verbindung hielt.
5
Bei Tisch
»Nehmen wir Platz«, sagte van der Straaten. »Meine
Frau hat mich aller Placierungsmühen überhoben und
Karten gelegt.« Und dabei nahm er eine derselben in die Hand und ließ sein von Natur gutes und durch
vieles Sehen kunstgeübtes Auge darüber
Weitere Kostenlose Bücher