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Lady Chatterley (German Edition)

Lady Chatterley (German Edition)

Titel: Lady Chatterley (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D. H. Lawrence
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werden? Vielleicht würden sie mit dem Versiegen der Kohle wieder verschwinden vom Gesicht der Erde. Zu Tausenden waren sie aus dem Nichts getaucht, als die Kohle nach ihnen rief. Vielleicht waren sie nur die unheimliche Fauna der Kohlenlager. Geschöpfe einer anderen Realität, Elementarwesen, die den Elementen der Kohle dienten, so wie die Metallarbeiter Elementarwesen waren, die den Elementen des Eisens dienten. Männer, die keine Menschen waren, sondern Wesen der Kohle, des Eisens und des Lehms. Fauna der Elemente – des Kohlenstoffs, des Eisens, des Siliciums: Elementarwesen. Sie mochten etwas von der unheimlichen, unmenschlichen Schönheit der Minerale haben, vom Glitzer der Kohle, dem Gewicht und der Bläue und der Beständigkeit des Eisens, der Transparenz des Glases. Elementare Geschöpfe, unheimlich und verzerrt, dem Mineralreich zugehörig. Der Kohle, dem Eisen, dem Lehm zugehörig, wie der Fisch zum Meer gehört und der Wurm zum toten Holz. Der Geist mineralischen Verfalls.
    Connie war froh, wieder zu Hause zu sein, den Kopf im Sand zu verstecken. Sie war sogar froh, wieder mit Clifford zu schwatzen. Denn die Furcht vor den kohle- und eisenverseuchten Midlands durchschauerte sie mit einem sonderbaren Gefühl, das ihren ganzen Leib überlief, wie eine Grippe.
    «Natürlich mußte ich bei Miss Bentley im Laden Tee trinken», erzählte sie.
    «So was! Winter hätte dich doch sicher zum Tee gebeten.»
    «Ja, schon, aber ich hatte nicht den Mut, Miss Bentley zu enttäuschen.»
    Miss Bentley war eine gelblichfahle alte Jungfer mit einer beträchtlich langen Nase und einer romantischen Veranlagung, und sie zelebrierte den Tee mit so hingebungsvoller Inbrunst, daß es dem Austeilen eines Sakraments gleichkam.
    «Hat sie nach mir gefragt?» wollte Clifford wissen.
    «Natürlich! – Darf ich Ihre Gnaden fragen, wie es Sir Clifford geht? – Ich glaube, sie stellt dich höher als Schwester Cavell!»
    «Und du hast vermutlich gesagt, mir ginge es blendend.»
    «Ja! Und sie sah so verzückt aus, als ob ich gesagt hätte, der Himmel hätte sich dir aufgetan. Ich habe ihr gesagt, wenn sie mal nach Tevershall käme, müßte sie unbedingt bei dir hereinschauen.»
    «Bei mir! Wozu denn? Bei mir hereinschauen!»
    «Ja, warum denn nicht, Clifford? Du kannst dich nicht so anbeten lassen, ohne die geringste Erwiderung dieses Gefühls zu zeigen. Der heilige Georg von Kappadozien ist nichts gegen dich.»
    «Und glaubst du, daß sie kommt?»
    «Oh, sie wurde blutrot und sah einen Augenblick lang ganz schön aus, das arme Ding! Warum heiraten Männer nicht die Frauen, von denen sie wirklich angebetet werden?»
    «Die Frauen fangen zu spät an mit dem Anbeten. Aber hat sie gesagt, daß sie kommen will?»
    «Oh! –» Connie ahmte die atemlose Miss Bentley nach – «Euer Gnaden, wenn ich wagen dürfte, mir das herauszunehmen!»
    «Wagen dürfte, mir das herauszunehmen! Wie verrückt! Ich hoffe zu Gott, daß sie nicht herkommt. Und wie war ihr Tee?»
    «Oh, Lipton’s und sehr stark. Aber Clifford, ist dir klar, daß du der Roman de la Rose von Miss Bentley bist und für viele ihresgleichen?»
    «Auch dann fühle ich mich nicht geschmeichelt.»
    «Sie hüten jedes Foto von dir in den Illustrierten wie einen Schatz und beten wahrscheinlich jeden Abend für dich. Es ist wundervoll.»
    Sie ging nach oben, um sich umzuziehen.
    An diesem Abend sagte er zu ihr:
    «Du bist doch der Meinung, nicht wahr, daß die Ehe etwas Ewiges ist?»
    Sie sah ihn an.
    «Aber Clifford, das Wort Ewigkeit klingt in deinem Mund, als sei es ein zuklappender Deckel oder eine lange, lange Kette, die hinter einem herschleift, ganz gleich, wie weit man auch gehen mag.»
    Verdrossen sah er sie an.
    «Ich wollte damit sagen», entgegnete er, «daß du nach Venedig doch nicht in der Hoffnung fährst, dort eine Liebesaffäre zu haben, die du au grand sérieux nehmen könntest, oder?»
    «Eine Liebesaffäre in Venedig au grand sérieux ? Nein, du kannst ganz sicher sein! Nein, ich würde eine Liebesaffäre in Venedig niemals anders als au três petit sérieux nehmen.»
    Sie sprach mit einer sonderbaren Verachtung in der Stimme. Er zog die Brauen zusammen, während er sie fixierte.
    Als sie am Morgen die Treppe herunterkam, hockte die Hündin des Hegers, Flossie, draußen vor Cliffords Zimmer im Flur und winselte leise.
    «Ja, aber Flossie», sagte sie zärtlich, «was machst du denn hier?»
    Und ruhig öffnete sie die Tür zu Cliffords Zimmer. Er saß aufrecht im

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