Lady Chesterfields Versuchung
wie den von Lady Hannah heute Abend hatte er nie zuvor erlebt. Gleichwohl mochte die Schmerzattacke segensreich gewesen sein, weil sie die junge Dame vor Belgraves unerwünschten Aufmerksamkeiten bewahrt hatte.
Die Nachtluft war kalt, doch von Lady Hannahs Körper ging eine wunderbar einladende Wärme aus. Michaels Schultermuskulatur wurde allmählich steif vor Anspannung, doch das störte ihn nicht. Er war unendlich dankbar, dass es der jungen Dame in seinem Arm allmählich besser ging.
Eine Erfahrung wie diese wollte er auf keinen Fall noch einmal machen, doch als sie sich an seine Brust schmiegte, war er erstaunt, wie stark die Verbindung zwischen ihm und Lady Hannah zu sein schien …
Die Folgen des heutigen Vorfalls würden äußerst unangenehm sein – trotzdem wäre er bereit gewesen, jederzeit wieder dasselbe zu tun, um Lady Hannah vor diesem Bastard Belgrave zu retten und ihre Tugend zu schützen. Dass sie als unberührte Braut in die Ehe gehen würde, so, wie es sich gehörte, war sein Verdienst. Das hieß, falls er sie zu Hause abliefern konnte, ohne dass jemand bemerkte, wo sie die vergangenen zwei Stunden verbracht hatte.
Indes stand zu bezweifeln, dass ihm das gelingen würde.
Es berührte ihn zutiefst, sie im Schlaf zu beobachten. Die Haarsträhnen, die sich aus ihrer Frisur gelöst hatten, fielen bis auf den sinnlichen Ansatz ihrer Brüste. Lady Hannahs Schönheit raubte ihm den Atem.
Sie war ein Inbild der Unschuld und Reinheit – beides Dinge, die er nicht verdiente.
Michael fischte das Diamantcollier aus seiner Rocktasche und befestigte es um Lady Hannahs Hals. Sein Blick glitt über die nackte Haut an der Stelle, wo das Korsett auseinanderklaffte. Wie gern hätte er sie dort mit seinen Lippen berührt! Sie führte ihn in Versuchung wie eine verbotene Frucht.
Vor ein paar Stunden erst hatte er ihren Nacken geküsst – eine Freiheit, die er sich nie hätte erlauben dürfen.
Sie ist nichts für dich, warnte ihn die Stimme in seinem Kopf.
Ein Mann von Ehre hätte sie in Ruhe schlafen lassen, die Zügel genommen und die Kutsche nach Hause gelenkt. Ein Mann von Ehre hätte nicht ihre Arme gestreichelt und sich an ihrer Blöße ergötzt. Ein Mann von Ehre hätte seine Leidenschaft zu zügeln verstanden.
Doch anscheinend war er kein Mann von Ehre. Und die wenigen gestohlenen Momente, die das Schicksal ihm mit Lady Hannah vergönnte, beabsichtigte er weidlich auszukosten.
Er senkte den Kopf auf ihre Schulter und berührte mit seinen Lippen sacht die samtweiche Haut ihres Nackens. Lady Hannah erbebte, wandte ihm den Kopf zu und schlug die Augen auf.
Michael hob sie auf seinen Schoß und küsste sie.
Hannah öffnete die Augen. Benommen erkannte sie, dass sie auf dem Schoß des Lieutenants saß und sich von ihm küssen ließ.
Die Empfindungen, die sich ihrer bemächtigten, waren überwältigend. Nie zuvor hatte ein Mann sie geküsst, und sie bebte vor Erregung. Der Lieutenant schien sich nach ihr zu verzehren. Sein Mund fühlte sich heiß und begierig auf ihrem an.
Er öffnete seine Lippen und ließ seine Zungenspitze sanft in ihren Mund gleiten. Das Gefühl, seinem fordernden Begehren nachzugeben, war mit nichts zu vergleichen. Ihre Haut wurde spürbar heißer, und die Leidenschaft riss sie mit sich fort.
Stoß ihn von dir! Sag ihm, er soll aufhören!
Sie wollte der inneren Stimme folgen, doch es kam ihr vor, als hätte ihr Verstand die Verbindung zu ihrem Körper verloren. Sie drängte sich dem Lieutenant entgegen. Sie musste ihm nah sein. So nah wie nur irgend möglich. Thorpe schob die Hand unter ihr Mieder, und ganz schwach erinnerte sie sich plötzlich, wie er die Schnürung ihres Korsetts gelockert hatte, damit ihr das Atmen leichter fiel.
Als sie seine Hände auf ihrer Haut spürte, stöhnte sie auf. „Nein! Hören Sie auf, bitte!“
Wieder pochte es schmerzhaft in ihren Schläfen, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Allerdings nicht wegen des unerwarteten Kusses, sondern vielmehr, weil sie sich schuldig fühlte. Thorpe hatte Empfindungen in ihr zum Leben erweckt, derer sie sich schämte, weil sie so verboten erregend und sinnlich waren. Aber obwohl sie ihn allzu gerne dafür verantwortlich gemacht hätte, wusste sie, dass es ungerecht gewesen wäre. Schließlich hatte sie ihm gestattet, sie zu küssen und in einer Weise zu berühren, wie es eine anständige junge Dame niemals zulassen durfte.
„Ich werde mich nicht entschuldigen“, sagte er mit leiser, tiefer Stimme
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