Lady Chesterfields Versuchung
waren sie nicht mehr sicher. Michael bedankte sich bei dem Wirt und trug das Frühstückstablett nach oben.
In der Zwischenzeit war Hannah aufgestanden und kämpfte mit ihrem Korsett. „Guten Morgen“, sagte sie und lächelte verlegen. „Könntest du mir vielleicht helfen?“
„Natürlich.“ Er stellte das Tablett ab, trat hinter sie und streichelte ihre Schulter, dann ergriff er die Bänder mit beiden Händen und zog sie straff.
„Warum um alles in der Welt tut ihr Frauen euch solche Qualen an?“ Er schüttelte verständnislos den Kopf. Doch Hannah lachte lediglich und wies ihn an, noch fester zu ziehen.
Viel lieber hätte er sie ausgezogen und ihre seidige, glatte Haut gestreichelt. Er versuchte, sein Verlangen nach ihr zu zügeln, und stahl ihr einen Kuss, den Hannah nur zu bereitwillig erwiderte, sobald sie ihm die Arme um den Nacken geschlungen hatte.
Am liebsten hätte er sie augenblicklich wieder entkleidet und sie so lange geliebt, bis sie vor Wonne erbebte.
Doch Hannah löste sich von ihm. Ihr Gesicht war flammend rot geworden vor Verlegenheit. „Michael, ich habe nachgedacht. Das, was wir letzte Nacht …. getan haben. Wir sollten … es nicht wieder tun.“
Ihr plötzlicher Rückzug verletzte seinen Stolz. Er griff in die Tasche und berührte den Ring. Es ist ihre Entscheidung, dachte er. Vielleicht war es ja auch besser so.
„Wahrscheinlich hast du recht“, erwiderte er achselzuckend und tat, als wäre es ihm gleichgültig. Er dachte jetzt schon viel zu häufig an sie. Sie würden nicht mehr viel Zeit miteinander verbringen, und je mehr sie sich aneinander gewöhnten, umso schwerer würde ihnen beiden der Abschied fallen. „Die letzte Nacht war keine gute Entscheidung.“
Sie erblasste, nickte jedoch. „Ich bereue sie nicht. Doch was ist … wenn ich ein Kind bekomme?“
Allein bei dem Gedanken stockte ihm der Atem. So sehr war er von seinem Verlangen nach ihr übermannt worden, dass er keinen klaren Gedanken mehr hatte fassen können. Und nun konnte es sein, dass sie ein Baby bekam. Ein unschuldiges Kind, das ihn als Vater und Beschützer brauchen würde.
Plötzlich stieg das Bild eines Kindes, das vor Hunger schrie, vor seinem inneren Auge auf, und er stellte sich Hannah in einem schäbigen Kleid vor, die Hände rau vom ewigen Schrubben und Waschen. Würde ihr Leben so aussehen, wenn er Soldat blieb? Das durfte er nicht zulassen.
„Wenn du ein Kind bekommst, werde ich für euch da sein.“ Es war die Antwort, die sie zu hören erwartete, doch der Gedanke, ihr weniger bieten zu können als das Leben, das sie gewohnt war, entsetzte ihn über die Maßen. Inständig hoffte er, dass aus ihrer verbotenen Liebesnacht kein Kind hervorgehen würde.
„Gut.“ Auch sie schien von der Aussicht wenig begeistert.
Michael drehte ihr den Rücken zu und versuchte, sich auf das Nächstliegende zu konzentrieren. „Der Wirt hat mich wissen lassen, dass Männer da waren, die nach mir suchen. Wir sollten keine weitere Nacht hierbleiben.“
„Wo willst du hin?“ Hannah trat vor ihn, damit er die Knöpfe am Rückenteil ihres Kleides schloss. Obwohl er das Kleid zuknöpfte, erregte ihn das Gefühl ihrer Haut unter seinen Händen schon wieder.
„Zum Schloss – fürs Erste jedenfalls. Danach entscheiden wir, wo wir übernachten.“ Nachdem er den letzten Knopf geschlossen hatte, setzten sie sich zum Frühstück. Michael schnitt sich ein Milchbrötchen auf und bestrich es mit Butter.
Hannah stocherte lustlos auf ihrem Teller herum. Ihr schien die Idee nicht zu behagen. „Wir müssen mit dem Fürsten sprechen, eine andere Möglichkeit haben wir nicht. Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass etwas Schreckliches passiert, wenn wir es tun.“
Sie schob ihren Teller beiseite, stand auf und zog ihre Pelisse an. Dann setzte sie ihren Hut auf und schlang die Bänder zu einer Schleife unter ihrem Kinn.
„Es ist ein Risiko, ja. Aber wir müssen es eingehen, wenn wir Antworten wollen.“ Als sie die Handschuhe übergestreift hatte, sah sie Michael fragend an. „Sollten wir nicht auf den Grafen warten? Schließlich weiß er über die Fürstenfamilie besser Bescheid als wir.“
„Das stimmt. Aber im Augenblick haben wir das Überraschungsmoment auf unserer Seite.“ Er stand auf und nahm seinen Hut vom Kleiderhaken. „Wir verfahren so, wie Gerda vorgeschlagen hat. Ich frage nach dem Hofmarschall oder dem Oberkämmerer.“
„In der Zwischenzeit könnte ich um eine Audienz bei der Fürstin
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