Lady Daphnes Verehrer
sagte Daphne.
»Das ist wohl das Vernünftigste, in ihrem Zustand. Wird sie bis nach der Geburt dort bleiben?«, entgegnete Katherine.
»Das nehme ich an, obwohl sie nichts davon schreibt.«
Daphne öffnete und las den nächsten Brief. Katherine trank ihren Kaffee und stellte auch zu der Absenderin dieses Schreibens keine Fragen, obwohl sie eine besondere Beziehung zu ihr hatte.
Katherine hielt sich strikt an die Regeln des Hauses. Die wichtigste von ihnen war, dass es den Frauen, die dort lebten, verboten war, im Leben und in den Privatangelegenheiten ihrer Mitbewohnerinnen herumzuschnüffeln. Seit Daphne ihr Zuhause mit Frauen teilte, die wie sie ganz allein dastanden, hatte diese Regel immer ihren Zweck erfüllt und für Harmonie gesorgt. Manche der Frauen machten außerdem von dem Recht Gebrauch, ihre Meinung stets für sich zu behalten. Katherine war eine von ihnen.
Die ehemaligen und gegenwärtigen Bewohnerinnen des Hauses ließen sich in zwei Gruppen aufteilen, dachte Daphne und unterbrach die Lektüre des Briefs. Sie zählten entweder zu denen, die ihre Vergangenheit nicht losließ, oder zu den Gejagten. Auf einige wenige – wie Katherine – schien beides zuzutreffen.
Es war schwer, nicht neugierig zu sein. Und nicht zu glauben, dass man helfen könnte, wenn man nur die Wahrheit erführe. Aber Daphne wusste es besser. Schließlich hatte auch sie ihr Päckchen zu tragen, und daran würde sich nie etwas ändern.
»Verity schreibt hauptsächlich über die täglichen Begebenheiten bei ihr zu Hause in Oldbury«, sagte sie und gab den Brief an Katherine weiter. »Lord Hawkeswell ist nach Norden gereist, um zu prüfen, ob sich die Unruhen dort oben auf ihr Eisenwerk auswirken.«
Katherine runzelte die Stirn, während sie den Brief las. »Ich bin froh, dass Verity nicht mit dem Earl gefahren ist. Die Zeitungen sind voll von düsteren Prognosen und Warnungen vor Gewalttätigkeiten.«
»Die übertreiben häufig. Wie man sieht, war ihr Mann nicht der Ansicht, dass Gefahr für ihr Anwesen und ihre Familie besteht.«
»Das könnte sich im August ändern. Da ist doch diese große Protestkundgebung geplant.«
»Pläne sind ungewiss«, sagte Daphne, aber es war möglich, dass im August tatsächlich alles anders wurde. Ein weiterer Punkt, den sie in Betracht ziehen musste, wenn sie die Zukunft neu überdachte.
Daphne nahm die Zeitung zur Hand. Außer den Nachrichten über die Vorgänge im Norden standen in der
Times
auch andere politische Geschichten sowie Korrespondentenberichte vom europäischen Festland. Einer davon erregte ihre Aufmerksamkeit. Der neue Herzog von Becksbridge war zwei Wochen zuvor mit einem Dinner geehrt worden, bei dem die Besten der feinen Pariser Gesellschaft zugegen gewesen waren. Es war, wie dort zu lesen stand, ein Fest zu seiner Verabschiedung gewesen, bevor er nach London abreiste, um sich den Aufgaben zu widmen, die seine Erbschaft mit sich brachte.
Würde er fortan in England leben? Oder würde er, wie sie hoffte und wie es seit Kriegsende etliche andere Adelige getan hatten, nach Frankreich zurückkehren und sich dort dauerhaft niederlassen?
»Wer ist das denn?«, sagte Katherine unvermittelt.
Daphne schaute auf. Katherine hatte sich aufgerichtet und blickte aus dem Fenster hinter Daphnes Sofa.
Sie drehte sich um. »Ich sehe niemanden.«
Katherine stand auf und kam näher, um in den Garten zu spähen. »Ein Mann ist gerade über den Rasen gegangen, keine fünfzehn Meter von diesem Fenster entfernt. Jetzt ist er bei der Rosenlaube.«
Daphne sah in die Richtung, in die Katherines Zeigefinger wies, und nahm die Bewegung einer dunklen Gestalt neben der Laube wahr.
In diesem Augenblick kam Mrs Hill, die Haushälterin, mit einem finsteren Ausdruck in ihrem Vogelgesicht herein. »Vor dem Haus ist ein Pferd. Ich habe es nicht kommen hören, aber nun steht es da, und der Reiter ist verschwunden.«
»Der Reiter ist im Garten.« Daphne konnte ihn nicht mehr sehen und legte ihre Schürze ab. »Ich werde nach draußen gehen und ihn ersuchen, das Grundstück zu verlassen.«
»Soll ich die Pistole holen?«, fragte Katherine.
»Der Mann ist sicher nur neugierig geworden, als er den Namen The Rarest Blooms auf dem Schild gelesen hat. Wahrscheinlich hat er nur haltgemacht, um sich anzusehen, welche seltenen Blumen es hier gibt.«
Katherine blieb angespannt und starrte in den Garten. Als wäre etwas hinter ihr her, dachte Daphne abermals.
»Ich würde vorschlagen, du beobachtest das Ganze
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