Lady Helenes skandaloeser Plan
neidisch auf deine Ehe, sondern auf deinen Mann. Als du Miles deinen Kinderwunsch mitgeteilt hast, was hat er da gesagt?«
»Er war einverstanden«, gab Esme zu.
»Und wenn du ihn um die Scheidung gebeten hättest?«
»Dann hätte er sich auch damit einverstanden erklärt.« Esme spürte einen Kloß im Hals. »Miles war wirklich nett.«
»Er war mehr als das«, sagte Helene mit Nachdruck. »Er war herzensgut. Er hätte alles für dich getan, Esme, und das weißt du sehr gut.«
»Du wärest nicht gern mit Miles verheiratet gewesen, Helene. Er war zu friedfertig.«
»Ich
bin
friedfertig!« Doch ihre schrille Stimme schien die Behauptung Lügen zu strafen. »Ich hätte – ich hätte – ach, das ist ja verrückt! Ich will nicht mit dir streiten, wer den schlimmsten Ehemann hat oder hatte. Ich wünsche mir nur ein Kind. Seit Jahren! Und jetzt hat Carola eine wunderhübsche kleine Tochter, und du brauchtest Miles nur darum zu bitten, und selbst Henrietta Darby, die es nicht einmal für möglich hielt, ein Kind auszutragen, hat jetzt einen Sohn …« Ihre Worte gingen in einem Tränenstrom unter.
Esme streichelte Helenes Arm. »Es tut mir leid, Helene. Es tut mir ja so leid.«
»Es ist einfach nicht fair!« Der Aufschrei platzte wie Regen aus einem Abflussrohr. »Ich pflege mich nicht über meinen Mann zu beschweren, das weißt du. Aber warum musste ich Rees Holland begegnen und ihn heiraten?! Warum hat meine Mutter mich nicht daran gehindert? Warum sind sie mir nicht gefolgt, als ich mit ihm durchbrannte? Warum bin ich in einer Ehe mit einem heillos verdorbenen Mann gefangen, während ihr anderen – du und Carola und Gina – euch mit euren Ehemännern versöhnt habt?«
»Genau genommen ist mein erster Mann tot«, fühlte Esme sich bemüßigt zu sagen.
»Das spielt doch keine Rolle! Wenn du willst, wird Sebastian dir noch fünf weitere Kinder schenken.«
Esme hatte bei ihrer Freundin Helene bislang keine stärkeren Gefühle als leichte Verärgerung erlebt, und nur ein einziges Mal, als Esme sich wirklich schockierend betragen hatte, war Helenes Reaktion heftiger Abscheu gewesen. All ihre Bewegungen und Gedanken war von Anmut und Beherrschung bestimmt. Doch jetzt war das komplizierte Zopfgeflecht, das ihren Kopf krönte, ein wenig verrutscht. Die hellblauen Augen blitzten, und Helenes sonst so blasses Gesicht war vor Wut und Kummer rot angelaufen.
Esme fand es dennoch wichtig, darauf hinzuweisen, dass der Tod ihres ersten Mannes wohl kaum bedeutungslos war. »Das finde ich ein wenig harsch geurteilt«, sagte sie behutsam. »Denn Miles wäre bestimmt lieber am Leben statt …«
Helene warf ihr einen Blick zu, der jegliches Mitleid sogleich dahinwelken ließ. »Spar dir das für dein Nähkränzchen auf!«, fauchte sie. »Miles’ Tod bedeutet doch lediglich, dass du den Mann nicht mehr ertragen musst.«
Die Anspielung auf das Nähkränzchen schmerzte. Esme hatte einen kurzlebigen Vorstoß in die ehrbare Witwenschaft unternommen, dann jedoch ihre skandalumwitterte zweite Ehe geschlossen, woraufhin sie für die rechtschaffenen Damen des Nähkränzchens nicht mehr tragbar gewesen war. »Miles und ich mögen ja nicht zusammengepasst haben, aber gegen das Eheleben an sich habe ich nichts. Immerhin habe ich Sebastian geheiratet und bin nun sehr glücklich mit ihm.«
»Rede doch nicht um den heißen Brei herum!«, schalt Helene. »Können wir unter vier Augen nicht die Wahrheit aussprechen? Die Männer sind eine furchtbare Anomalie des Menschengeschlechtes: Sie sind selbstsüchtig, widerlich und nur auf ihr Vergnügen aus. Carola mag ja in Tuppys zweifelhafte Angelkünste vernarrt sein – besitzt er überhaupt andere Talente? –, aber ob das für ein ganzes Leben reicht? Eines Tages wird auch sie feststellen müssen, dass er keinen Deut anders ist als andere Männer.«
»Aber, Helene, ich habe ja gar nicht gewusst, dass du so schlecht über Männer denkst!«, rief Esme. »Wenn alle Männer in deinen Augen selbstsüchtige Tiere sind, was hast du dann an Miles gemocht?«
»Miles hätte dir alles gegeben, du brauchtest bloß darum zu bitten. Er hat das Ehegelübde in Ehren gehalten. Du wolltest ein Kind, er zeugte ein Kind. Du wolltest, dass er dein Haus verlässt, und er ist gehorsam gegangen. Und hat dich danach nie wieder belästigt, nicht wahr?«
»Das nicht«, gab Esme zu, »aber …«
Doch Helene war aufgesprungen und ging aufgebracht hin und her. »Rees und Miles sind so unterschiedlich wie Tag und Nacht!
Weitere Kostenlose Bücher