Lady Lavinias Liebestraum
zu hoffen gewagt hatte, einen Heiratsantrag gemacht habe – trotz mangelnder Mitgift. Lavinia freute sich für die Freundin, dass sie einen Mann gefunden hatte, der sie um ihrer selbst willen und nicht des Geldes wegen zum Traualtar führen wollte, und gratulierte ihr gerade überschwänglich, als der Butler in den Raum kam und den Earl of Corringham ankündigte.
James trat ein und kam auf die beiden jungen Damen zu, um sie zu begrüßen. Er schüttelte lächelnd den Kopf ob der regen Geschäftigkeit, die um sie herum herrschte.
“Weißt du wirklich, worauf du dich eingelassen hast?”, fragte er und schaute neugierig auf das Gewand, das Lavinia über dem Arm trug. Er nahm es ihr ab, um es eingehender zu betrachten, wobei sie einander flüchtig streiften.
Lavinia vermochte nur mit Mühe die Contenance zu bewahren, hatte doch allein diese kurze, aber sehr sanfte Berührung ihr Herz gleichsam erbeben lassen. “Natürlich. Ich habe mir nichts Geringeres vorgenommen, als Shakespeares ‘Ein Sommernachtstraum’ aufzuführen”, erwiderte sie mit geröteten Wangen.
“Oh ja, es ist in der Tat ein Traum – einer, aus dem du erwachen wirst, um festzustellen, dass der Mann, den du liebst, dich schändlich getäuscht hat”, erwiderte er, während Constance sich etwas von ihnen entfernte und einen kritischen Blick auf die Kostüme warf, um die Konversation, die ohnehin unverständlich war für sie, zu überhören.
Lavinia wurde wütend. “Was weißt du schon über den Mann, den ich liebe? Du kennst mich offensichtlich überhaupt nicht. Oh, du glaubst wohl, dass du es tust, doch da irrst du dich. Du siehst nur das Kind in mir, das ich einmal war …”
“Du bist kein Kind mehr.”
“Wie schön von dir, dies zu bemerken”, erwiderte sie. “Ich bin alt genug, um mich zu verheiraten.”
“Wie wahr … indes kann ich nicht glauben, dass du in Lord Wincote verliebt bist. Und ebenso wenig glaube ich, dass seine Gefühle für dich aufrichtig sind. Ich bitte dich inständig, deine Antwort auf seinen Antrag noch einmal zu überdenken.”
“Was hast du nur gegen den armen Mann einzuwenden?”
“Ich bin davon überzeugt, dass er ein Mitgiftjäger ist.”
“Deine Behauptung entbehrt jeder Grundlage, James. Außerdem ist es mir egal, ob er es auf mein Geld abgesehen hat oder nicht. Ich habe meinen Entschluss nämlich längst gefasst: Ich …” Sie brach ab und schaute ihn misstrauisch an. “Du machst ein Gesicht, als ginge morgen die Welt unter. Wenn ich es nicht besser wüsste, James Corringham, würde ich sagen, du bist missgünstig. Du kannst es offensichtlich nicht ertragen, dass mich jemand zu seiner Frau zu machen wünscht, obgleich du mich gar nicht haben willst …”
“Lavinia, du irrst dich. Du irrst dich gewaltig. Ich …”
Die Flügeltür ging auf, und Miss Hastings kam mit Augusta, Jack, Andrew und der kleinen Beth in den Ballsaal. Die Kinder quietschten vergnügt vor Aufregung, mit den Erwachsenen proben zu dürfen, und stürmten auf den Onkel zu, um ihn herzlich zu umarmen. Wie lange er doch darauf gewartet hatte, mit Lavinia offen zu sprechen, und nun war die Gelegenheit von einer Sekunde auf die andere vertan.
Wie so oft in letzter Zeit hatte Lavinia Mühe, sich auf ihre Rolle zu konzentrieren, gleichwohl Mr. Greatorex ein weiteres Mal gekommen war, um den Laienschauspielern Hilfestellung zu geben. Lord Wincote zog sie, als man zur zweiten Szene des zweiten Aufzugs übergegangen war, zu sich und schaute ihr tief in die Augen. “‘Ein Rasen diene uns als Kissen für uns zwei: ein Herz, ein Bett, zwei Busen, eine Treu.’”
Lavinia erschauderte ob der Worte, die Hermia zu Lysander, dem Mann, den sie über alles liebte, sprach: “‘Ich bitt’ Euch sehr, um meinetwillen, Lieber! Liegt nicht so nah, liegt weiter dort hinüber …!’”
“Nein, nein, nein!”, rief Lancelot Greatorex verzweifelt aus. “Sie ist in Lysander verliebt! Sie deutet ihrem Liebsten doch an, er solle von ihr abrücken, damit sie nicht jeden Anstand und sich selbst vergisst und sich in größter Leidenschaft auf ihn stürzt. Bei Ihnen sah es eben so aus, als sei Hermia über Lysanders Nähe entsetzt und wolle ihn rasch wieder loswerden.”
Lavinia konnte tatsächlich weder Wincotes Nähe noch die eindringlichen Worte des Lehrmeisters länger ertragen. Laut aufschluchzend wandte sie sich um und floh aus dem Saal. Kaum hatte sie sich in der Abgeschiedenheit ihres Schlafzimmers wieder ein wenig erholt, beschloss
Weitere Kostenlose Bücher