Lady Marys romantisches Abenteuer
mit drei Töchtern und zwei Söhnen. Alle hatten die gleichen, scharfen Züge, die an Falken erinnerten, wie die junge Frau, welche Mary und John im Palais du Luxembourg gesehen hatten.
„Es sind die Feroces“, sagte sie leise. „Der Engel war Teil ihres Altargemäldes.“
„Meine Vorfahren“, sagte d’Archambault stolz und sein Atem wurde zu einem pfeifenden Röcheln. „Da vorne, die älteste Tochter. Sie gleicht Ihnen, nicht wahr? Das ist Isabella, die Einzige, die gerissen genug war, den Franzosen zu entkommen, indem sie nach Frankreich floh. Sie heiratete einen d’Archambault. Sie ist sogar mitten unter uns begraben, denn sie passte sich vollkommen meiner Verwandtschaft an.“
Sein Lachen ging in rasselnden Husten über. Dennoch umklammerte er die Pistole weiterhin. „Isabella bekam die Madonna und nach vielen Jahren erhielt schließlich ich sie. Doch ich war der Einzige, der die anderen Bilder suchte und die Heilige Jungfrau wieder in der ganzen Herrlichkeit erstehen ließ, die ihr gebührt.“
„Und wie viele Menschen mussten wegen Ihrer Suche sterben?“, fragte John. „Wie viel Blut wurde wegen dieser Bilder vergossen?“
„Was kümmerte es die Feroces?“, entgegnete d’Archambault. „Was kümmert’s mich?“
„Vielleicht sollte ein Mann, der dem Tod so nahe ist wie Sie, solche Dinge bedenken“, meinte John, und Mary stimmte ihm zu. So überirdisch der Engel ihr auch erschien, er war trotzdem den Preis nicht wert, den so viele für ihn hatten bezahlen müssen.
Aber d’Archambault hörte gar nicht mehr zu. Sein Blick ging von Mary zu dem Gemälde zurück.
„Ich habe alles getan, was sie von mir verlangt hat“, krächzte er voll glühender Leidenschaft. „Ich fand ihre Bilder. Was sollte sie mehr wollen?“
Er war so in den Anblick des Gemäldes versunken, dass er ihre Anwesenheit vergessen zu haben schien. Langsam senkte sich die schwere Pistole in seinen bebenden Händen. Vorsichtig beugte John sich vor. Er war entschlossen, sich seine Waffe wiederzuholen. Mary hielt den Atem an.
„Meine schöne Himmelskönigin.“ D’Archambaults Stimme war nur noch ein sehnsuchtsvolles Flüstern. Der Schweiß rann ihm in Strömen über das Gesicht und fing sich in den tiefen Linien, die der Schmerz in seine Wangen gegraben hatte.
„Ich … ich habe dich wieder zu einem Ganzen gemacht“, keuchte er, „mit meinem letzten Lebensatem. Ich … ich wollte nicht ruhen, noch … noch sterben, bis ich es vollendet hatte. Alles … alles was ich zum Dank dafür von dir verlange, ist Verzeihung – und Erlösung von meinen Schmerzen.“
John stieß Diana zur Seite, schnappte sich die Pistole vom Fußboden und richtete sie sofort auf d’Archambaults Brust.
„Die Damen werden jetzt ungehindert gehen können“, sagte er. „Und meine Gattin verlangt das Bild des Engels für sich.“
„Nicht der Engel!“, schrie d’Archambault völlig außer sich. Die Pistole entglitt seinen kraftlosen Händen. „Wenn Sie das tun, wird die Heilige Jungfrau mir nie vergeben!“
„Nimm es, Mary“, sagte John, ohne den Comte aus den Augen zu lassen. „Es ist dein Eigentum.“
Langsam ging Mary zu dem Bild. Es war nur ein Gemälde, verrührte Eier und Farbe, aufgetragen auf eine Holztafel. Ganz gleich, was d’Archambault auch glaubte, es besaß keine eigene Macht.
Wenn es so war, warum schaute der Engel dann nicht mehr mit seiner alten, feurigen Freundlichkeit auf sie, sondern nur zu der Madonna auf der mittleren Tafel hin? Wieso konnte Mary sich dann nicht mehr vorstellen, die eine Tafel von den beiden anderen zu trennen, nur weil sie ihr gehörte und ihr Besitz war?
„Sie können sie nicht nehmen“, flüsterte d’Archambault. Jetzt strömten ihm Tränen über das Gesicht. „Das werde ich Sie der Heiligen Jungfrau nicht antun lassen und auch mir nicht.“
Mit letzter Kraft holte er sich die zu Boden gefallene Pistole zurück und richtete sie gegen sich selbst. Der Schuss hallte im Schlafzimmer wider. Beißender Rauch wehte durch den kleinen Raum.
„Seht nicht hin!“, schrie John. Doch für Mary kam seine Aufforderung zu spät. Sie blickte bereits auf die zerschmetterten, blutigen Überreste, die einmal der Kopf des Comte d’Archambault gewesen waren. Fest klammerte sie sich an Diana, und John legte schützend einen Arm um jede der beiden Schwestern. Keiner von ihnen konnte den Blick von dem grausigen Anblick abwenden.
Auf der anderen Seite des Zimmers, in der Mitte des Triptychons, lächelte
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