Lady Sunshine und Mister Moon
ein zu großer Schritt. Ganz zu schweigen davon, dass es aberwitzig war, sich Gedanken über das Fell des Bären zu machen, bevor er erlegt war. Wolf wollte sie doch gar nicht heiraten! Er wollte in irgendein stinklangweiliges Kaff irgendwo in Amerika ziehen und eine nette, sanfte Frau heiraten, die ihm niemals Anlass zur Sorge gab. Ein süßes kleines Ding, das ihre Unterhaltungen mit „Ja, Wolfgang“, „Nein, Wolfgang“ und „Wie du meinst, Wolfgang“ bestreiten würde.
Carly schnaubte. So würde sie nie sein. Warum also verschwendete sie überhaupt ihre Zeit damit, darüber nachzudenken? Das alles machte sie schlichtweg verrückt. Sie musste sich dringend ablenken.
Treena, Eve, Michelle und Jerrilyn kicherten hinten bei Jerrilyns Schminktisch am anderen Ende der Garderobe. Doch obwohl die Mädchen ihr zweifellos geholfen hätten, sie von all diesen nutzlosen Warums und Was-wäre-Wenns abzulenken – Carly hatte keine rechte Lust, sich zu ihnen zu gesellen. Ihre Kostüme hatte sie der Garderobiere schon zurückgegeben, und sogar ihr Schminktisch war aufgeräumt. Es gab hier nichts mehr zu tun, das ihren Gedanken Einhalt geboten hätte. Sicher, sie könnte ein paar Münzen an einem Einarmigen Banditen verpulvern, aber das war auch nicht besonders reizvoll.
Dann fiel ihr Blick auf den Umschlag von vorhin. Sie nahm ihn so hastig vom Tisch, dass dabei ihre Make-up-Pinsel in verschiedene Richtungen davonrollten. Während Carly sich bückte, um sie aufzuheben, überlegte sie, was sie gleich erwarten würde. Treena hatte sicher recht: Es war bestimmt eine Einladung von einem Gast, der ihre Show gesehen hatte und sich in ihre Brüste oder Beine verguckt hatte. Egal. Sie brauchte dringend Ablenkung, und dieser Umschlag kam ihr gerade recht.
Sie legte die Pinsel wieder an ihren Platz zurück und öffnete den Umschlag. Dann holte sie die Karte heraus, schlug sie auf und las die Nachricht ihres Verehrers.
Rasch ließ sie sie wieder sinken.
„Oh, Mist“, flüsterte sie. „Das ist gar nicht gut.“
„Wolf.“ Beck kam in der Hotellobby auf ihn zu. „Der Chef sucht dich.“
„Okay. Würdest du das hier freundlicherweise für mich übernehmen? Einer der Pagen hat einen Gast gemeldet, der sich verdächtig verhalten hat. Er ist mit einem extrem schweren Koffer angereist, wollte aber partout nicht, dass ihm jemand damit behilflich ist.“
Mr. Miller nickte. „Er hatte ihn gleich hinter der Tür abgesetzt“, erklärte der Empfangschef. „Aber als der Page ihn auf einen Gepäckwagen heben wollte, konnte er nur feststellen, dass das Ding Tonnen wog, bevor der Herr ihn wegscheuchte. Er wollte partout niemanden an seinen Koffer heranlassen.“
„Wie ist seine Zimmernummer?“, fragte Beck. Wolf nickte ihm beruhigt zu; das Problem war in guten Händen. Er dankte dem Empfangschef für seine aufmerksame Mitarbeit und kehrte dann in die Security-Abteilung zurück.
Dort fand er Dan an den Überwachungsbildschirmen. Er zeigte einem korpulenten Mann mit zurückweichendem Haaransatz verschiedene verdächtige Personen. Nach ein paar Sekunden gesellte Wolf sich zu ihnen.
„Entschuldigen Sie bitte die Störung, aber Beck sagte mir, dass Sie mich suchen?“
„Ja. Wolf, ich möchte Ihnen gern Oscar Freeling vorstellen. Oscar, das ist Wolfgang Jones, mein Stellvertreter.“
Wolfs Magen zog sich zusammen, als er ihm klar wurde, dass dieser Mann Dans alter Freund aus Cleveland war. Sein Herzschlag beschleunigte sich. Aber er hatte bei Weitem schon zu lange auf diesen Augenblick hingearbeitet, als dass er sich nun seine Nervosität anmerken ließ. Mit einem professionellen Lächeln streckte er die Hand aus, um den Mann zu begrüßen. „Es freut mich, Sie kennenzulernen, Sir.“
„Es freut mich auch, Wolfgang. Dan hat mir nur Gutes von Ihnen erzählt.“ Freeling musterte ihn einen Augenblick lang, bevor er ihm zunickte, als ob er zu einem Entschluss gekommen wäre. „Was halten Sie davon, wenn wir ein wenig plaudern?“
„Das wäre schön.“ Wolf blickte zu Dan hinüber. „Mit Ihrer Erlaubnis, Dan.“
„Natürlich. Nehmen Sie sich Zeit.“ Er lächelte. „Wir werden schon irgendwie klarkommen.“
Wolf führte Freeling in die Cafeteria, wo er zwei Tassen Kaffee besorgte. Sie hielten sich ein paar Minuten damit auf, Höflichkeiten auszutauschen, bevor Freeling aufs Geschäftliche zu sprechen kam. Er stellte OHS Industries ausführlich vor und erklärte, was die Position des Security-Chefs mit sich brachte.
Es
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