Längst vergangen: Thriller (German Edition)
befinde, dass es mir egal ist.
Die Schlange bewegt sich, und die Leute vor mir kaufen ihren Wein. Als sie sich zum Gehen wenden, trete ich vor und stelle den Johnnie Walker auf den Tresen.
»Mr. Reese?«
Es ist eine Frauenstimme, und als ich aufsehe, lächelt mich Anne Carlson an.
Zunächst sage ich nichts. Ich habe nicht mit Anne gesprochen, seit sie in mein Büro gekommen ist, und als ich sie sehe, merke ich, dass man schlimmeren Menschen als Studenten begegnen kann.
Ich weiß nicht recht, was ich sagen soll.
Zum Glück redet sie als Erste.
»Sie waren die ganze Zeit hinter uns, und ich habe Sie nicht mal erkannt.« Sie wendet sich an ihren Begleiter und sagt: »Walter, das ist Jake Reese, einer von unseren neuen Lehrbeauftragten.«
Walter streckt die Hand aus und sagt: »Ja, natürlich. Freut mich, Sie kennenzulernen, Jake. Ich habe Ihr Buch gelesen.«
Ich schüttele ihm die Hand und danke ihm.
»Und ich kannte Ihren Vater«, sagt er. »Also, ich bin ihm einmal begegnet. Ich habe mal an seinem Fall gearbeitet, bevor er starb.«
Der Kassierer scannt die Flasche ein und nennt mir einen Preis.
Ich gebe ihm meine Kreditkarte.
»Walter ist Anwalt bei der Stadt«, sagt Anne. »Wir waren unterwegs zu einer Dinnerparty.« Sie sieht die Flasche Johnnie Walker auf dem Tresen und lächelt gekünstelt. »Große Pläne für heute Abend?«
Ich mache den Mund auf, um ihr zu sagen, nein, nur ein typischer Mittwochabend, aber zum Glück wirft Walter etwas ein, bevor ich ein Wort herausbekomme.
»Ich muss schon sagen: Ich weiß zwar nicht, wie viel davon der Wahrheit entspricht, aber es war faszinierend, über Ihr Leben und das Ihres Vaters zu lesen. Er war ein interessanter Mann.«
»Das war er wohl.«
»Was hat er denn gemacht?« Anne hält sich die Hand vor den Mund. »Tut mir leid, das war unhöflich.«
Ich schüttele den Kopf und sage ihr, dass es in Ordnung ist. »Er hat einen Lastwagen entführt. Die ganze Sache wurde von einer Überwachungskamera festgehalten.«
»Ganz allein?«
»Andere waren auch beteiligt, aber er war der Einzige, der vor die Kamera getreten ist.«
»Das ist Pech.«
»Das ist Alkohol«, sage ich. »Sie wussten, dass Kameras installiert waren. Er wurde einfach nachlässig.«
Der Verkäufer stellt die Flasche in eine braune Papiertüte und überreicht sie mir mit meinem Bon und einem Stift.
Ich unterschreibe, dann gehe ich mit Anne und Walter hinaus.
Draußen ringe ich mir ein Lächeln ab. Ich sage zu Walter, es sei schön, ihn kennengelernt zu haben, und wünsche ihnen viel Spaß bei der Dinnerparty.
Als ich mich abwende, hält Anne mich auf.
»Sind Sie zu Fuß hier, Jake?«
Ich zeige auf die Straße und sage: »Ich wohne in der Nähe.«
»Warum fahren Sie nicht mit uns? Es wird von Minute zu Minute kälter.«
»Es macht mir nichts aus zu laufen.«
»Na los!«, sagt Walter. »Wir bestehen darauf.«
Ich sehe auf die Straße in Richtung meines Hauses. Die Kälte macht mir nichts aus, aber der Gedanke an den Fußmarsch durch die dunklen Straßen schon.
Ich entscheide mich für den Weg des geringsten Widerstands.
»Danke«, sage ich. »Das wäre nett.«
Ich folge ihnen um den Schnapsladen herum zum Parkplatz. Auf dem Weg fragt mich Anne nach meinen Kursen und wie das Semester sich entwickelt. Es läuft gut, sage ich, was sie zu freuen scheint.
Als wir auf dem Parkplatz stehen, drückt Walter einen Knopf an seinem Schlüssel, und die Scheinwerfer an einem Mercedes neben uns leuchten auf.
»Anne sagte, dass Sie für die Stadt arbeiten?«
Walter lächelt und antwortet nicht.
Anne sitzt vorn, und ich steige hinten ein. Die Lederpolster sind weich. Es sitzt sich wie auf Kätzchen.
Walter fragt, ob ich es bequem habe.
Ich lache und sage ja. Er fährt vom Parkplatz auf die Straße. »Wohin soll ich fahren?«
Ich beuge mich vor. »Da vorn rechts abbiegen, dann nach andert halb Kilometern links. Ich sag Ihnen Bescheid.«
Nach ein paar Blocks sieht mich Walter im Rückspiegel an und sagt: »Hoffentlich verübeln Sie es mir nicht, wenn ich etwas sage, aber Anne hat mir erzählt, was passiert ist.« Er hält inne. »Wegen des Überfalls und Ihres Fingers.«
Ich sehe auf meine Hand. »Das ist vorbei.«
»Gut zu hören.« Er greift nach oben, zückt eine weiße Visitenkarte aus einer Klammer an seiner Sonnenblende und reicht sie mir über die Schulter nach hinten. »Aber nehmen Sie die für den Fall des Falles.«
»Für welchen Fall?«
»Für den Fall, dass es nicht vorbei
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