Längst vergangen: Thriller (German Edition)
Nirgendwo brennt Licht, und eine Weile stehe ich nur im Dunkeln da und lausche in die Stille.
Als mir das zu viel wird, steuere ich das Schlafzimmer an und beginne, Dianes Sachen zu durchwühlen. Ich habe keine Ahnung, wonach ich suche, aber ich muss etwas tun.
Ich fange mit ihrer Kommode an und durchsuche Kleider und Schmuck. Dann ziehe ich einen Stapel Kartons vom Schrank herunter. Das Gewicht lässt darauf schließen, dass nichts drin ist, aber ich sehe trotzdem in jedem einzelnen nach, für alle Fälle.
Als ich fertig bin, lege ich die Sachen zurück, dann nehme ich Dianes Koffer und öffne ihn auf dem Bett.
Er ist leer.
Ich fange an, die Seitentaschen zu durchsuchen. Ich finde nur eine Visitenkarte, auf deren Vorderseite ein silberner Halbmond und mehrere blaue Sterne geprägt sind. Darunter steht in sauberem Golddruck der Name LISA BISHOP und HELLSEHERIN.
Ich drehe die Karte um.
Eine Adresse und eine Telefonnummer sind auf der Rückseite gedruckt, daneben steht in Handschrift:
»D., wir müssen miteinander reden. Ruf mich an.«
Ich stelle den Koffer in den Schrank zurück und gehe ins Wohnzimmer. Auf dem Weg schnappe ich mir das Telefon und wähle die Nummer von der Karte.
Ich lasse es klingeln, bis die Ansage kommt.
Flöten und Harfen, gefolgt von einer Frauenstimme, die mir für meinen Anruf dankt und mich dann bittet, eine Nachricht zu hinterlassen.
Mache ich nicht.
Ich lege auf, dann lehne ich mich auf der Couch zurück und lasse mich in die Kissen sinken. Ich schließe die Augen und versuche zu begreifen, was ich da gefunden habe.
Bei unserer ersten Verabredung führte ich Diane in ein französisches Restaurant im Stadtzentrum aus. Während wir an der Bar auf unseren Tisch warteten, sagte ich zu ihr, es sei, als wären wir schon mal da gewesen.
Ich nannte es Déjà-vu.
Sie nannte es eine chemische Unausgewogenheit.
»Dein Hirn hat einen Schluckauf und registriert die Gegenwart als Erinnerung«, hatte sie gesagt. »Nichts Besonderes.«
Typisch Diane.
Und diese Diane würde nie eine Hellseherin aufsuchen. Ich trinke aus, dann stehe ich auf und schenke mir nach. Mir egal, ob ich betrunken werde. Das will ich auch.
Es gibt zu viele Fragen, und sie gehen mir nicht aus dem Kopf. Ich kann nicht klar denken. Immer wieder sehe ich die zwei Männer draußen vor meinem Büro sitzen, und meine Gedanken schweifen immer wieder zum selben Ort ab, immer und immer wieder.
Haben die Typen sie geholt?
Wie konnte ich nur so dumm sein?
Sie wussten, wo ich arbeite, also auch, wo ich wohne. Ich hätte Diane sagen können, sie soll das Haus verlassen, fliehen, aber das habe ich nicht getan, und jetzt ist sie weg.
Ich trinke und versuche, meine Fantasie zu bremsen, bevor sie sich überschlägt. Ich konzentriere mich auf den kalten Schmerz mitten in meiner Brust und lasse ihn vom warmen Alkoholdusel durchtränken, bis nur noch der Schmerz übrig ist.
Dann kommt die Wut.
Ich gehe durch den Flur in mein Büro und öffne die Schreibtischschublade. Ich hole mein Adressbuch heraus und blättere, bis ich Gabbys Nummer finde. Ich trage es zur Couch zurück und greife zum Telefon.
Ich wähle die ersten paar Zahlen und halte inne.
Ich höre Dianes Stimme in meinem Kopf, die mich ermahnt, keine Dummheiten zu machen, und einen Augenblick lang kann ich mich überzeugen, dass Gabby anzurufen gar nicht dumm wäre.
Dann geht der Moment vorüber.
Wenn ich Gabby mitreinziehen will, muss ich sicher sein. Wenn ich erst diesen Anruf gemacht habe, kann ich, was immer auch passiert, nicht mehr rückgängig machen.
Lange starre ich das Telefon in meiner Hand an, dann greife ich nach meinem Drink und leere ihn.
Versprich mir, dass du keine Dummheiten machst.
Am Ende rufe ich nicht an.
Versprochen ist versprochen.
– 11 –
Lange kann ich nicht einschlafen. Vielmehr liege ich im Bett, und starre auf die Schatten und denke an Diane. Endlich döse ich ein, und dann habe ich wieder den Traum.
Es ist immer derselbe.
Darin bin ich ein Kind. Ich türme Bauklötze auf einem dunklen Teppich auf und sehe sie einstürzen. Meine Mutter ist im Zimmer nebenan und weint. Sie kommt heraus und setzt sich neben mich.
Ich baue weiter mit den Klötzchen.
»Jake«, sagt sie. »Ich will, dass du mir zuhörst.«
Ich blicke auf und warte.
»Du brauchst keine Angst zu haben, verstehst du?« Ich nicke und sage ja, obwohl es nicht wahr ist.
Sie lächelt, beugt sich vor und küsst mich auf den Kopf. »Hab keine Angst, Jake, niemals.«
Ich
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