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Längst vergangen: Thriller (German Edition)

Längst vergangen: Thriller (German Edition)

Titel: Längst vergangen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Rector
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weiß, dass wir kommen. Er hat sich in seinem Anruf bereiterklärt, uns zu empfangen.«
    »Er ist pflichtbewusst.«
    Nolan sieht mich an. »Wie fühlen Sie sich?«
    Ich wiederhole die Frage, dann sehe ich auf die Stelle, wo mir ein Finger fehlt. Ich will ihm antworten, aber ich kann es nicht. Ich empfinde nichts, keine Traurigkeit, keine Wut, keine Angst.
    Nur Leere.
    Nolan wartet und sagt dann: »Bringen wir es hinter uns.«
    – – –
    Meine ersten Schritte sind mühsam, aber als ich in Gang komme, fühle ich mich ziemlich gut. Ich folge Nolan über den Parkplatz zu der Treppe und dann hinab.
    Nolan klopft an die grüne Metalltür. Es hallt durch das ganze Treppenhaus. Er sieht sich zu mir um und schüttelt den Kopf.
    »Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollen die verdammte Flasche nicht öffnen.«
    Ich sage ihm, dass ich es schaffe, und das stimmt auch.
    Wir warten noch eine Minute, dann klopft Nolan erneut. Diesmal klickt ein Riegel, und die Tür geht auf. Der Mann, der vor uns steht, ist älter, gut einsneunzig groß und hat dunkles, grau meliertes Haar. Er hält eine braune Aktenmappe in einer Hand und trägt einen weißen Laborkittel, der ihm zwei Nummern zu klein ist. Das Wort
coroner
, Gerichtsmediziner, ist mit dickem schwarzen Garn auf die vordere Tasche gestickt.
    Er blickt zwischen Nolan und mir hin und her.
    »Detective Nolan?«
    Nolan nickt, dann stellt er mich vor und sagt: »Wir wissen es zu schätzen, dass sie heute Abend so lange geblieben sind. Mir ist klar, dass es spät ist.«
    Der Mann murmelt etwas, das ich nicht ganz mitbekomme, dann tritt er zur Seite und bedeutet uns, hereinzukommen. Im Vorübergehen bemerke ich tiefe Furchen um seine Augen und eine glatte rosa Brandnarbe auf einer Wange.
    Ich will ihn nach der Narbe fragen, entscheide mich aber anders.
    Mir wird klar, dass ich an alles andere denke außer an Diane und was ich gleich tun werde. Ich habe zu viele Gruppentherapiesitzungen in der Haft mitgemacht, um nicht zu wissen, dass dies ein Verteidigungsmechanismus ist und ich daher versuche, mich von dem, was kommt, zu distanzieren.
    Diese Erkenntnis holt mich in die Wirklichkeit zurück.
    Der Gerichtsmediziner schließt die Tür und schiebt den Riegel vor, dann geht er an uns vorbei durch einen langen Korridor.
    Wir folgen ihm.
    Das Gebäude ist menschenleer. Alle Zimmer sind dunkel. Das einzige Licht, das ich sehe, kommt aus einem der Büros am anderen Ende des Flurs. Der sanfte weiße Schein wird vom glänzenden gefliesten Fußboden silbrig reflektiert.
    Im Büro holt der Gerichtsmediziner eine Garnitur von Schlüsseln hinter dem Schreibtisch hervor. Er sieht mich an, dann öffnet er die mitgebrachte Aktenmappe und liest: »Diane Reese, Alter: siebenundzwanzig. Ehemann Jake Reese.«
    Es ist keine Frage.
    Er schließt die Akte und sagt: »Sollten wir noch irgendjemanden benachrichtigen? Andere Angehörige?«
    Die Luft im Büro ist dünn und riecht durchdringend nach Ammoniak. Sie verträgt sich nicht gut mit dem sauren Geschmack des Alkohols in meinem Rachen, und mein Kopf beginnt sich zu drehen. Ich kann nicht klar denken.
    »Nein, es gibt nur uns beide.«
    »Okay.« Der Gerichtsmediziner wirft die Akte auf den Schreibtisch und sagt: »Folgen Sie mir.«
    Wir gehen in den Flur zurück und weiter ins Dunkel hinein. Es gibt kein Licht, und ich sehe nur den weißen Kittel des Gerichtsmediziners von hinten.
    Ich bemühe mich, konzentriert zu bleiben.
    Einen Moment später spüre ich Nolans Hand auf meinem Arm, dann höre ich ihn fragen: »Sind Sie okay, Jake?«
    »Ich bin okay«, sage ich, und ich glaube es beinahe.
    »Sie müssen nur hinsehen und ja oder nein sagen. Eine positive Identifizierung, weiter nichts.«
    Ich sage, ja, ich weiß.
    Ich sage ihm, ich habe das schon mal gemacht.
    Der Gerichtsmediziner bleibt vor einer großen Metalltür stehen und zieht sie am Griff auf. Er tritt hinein und knipst einen Schalter an. Eine Reihe fluoreszierender Lichter flammt an der Decke auf und taucht den Raum in ein blassgrünes Licht.
    Rechts steht ein weißer Obduktionstisch. In die gegenüberliegende Wand sind sechs kleine Türen eingelassen.
    Zum ersten Mal, seit wir angekommen sind, wird mir übel. Ich hatte mir irgendwie eingeredet, dass dies alles ein Fehler sein müsste, dass Diane nicht wirklich hier, nicht wirklich tot wäre.
    Jetzt bin ich nicht mehr sicher.
    Der Gerichtsmediziner geht zu den sechs Türen an der gegenüberliegenden Wand. Ich rühre mich nicht.
    Wieder spüre ich Nolans

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