Lakefield House (German Edition)
Kardätsche hoch. „Ich putze sie noch ein wenig.“
Connor nickte und mischte dann die Lösung an, mit der ihr neuer Verband getränkt werden musste. Rebecca war minutenlang schon recht still. Ein Gedanke spukte in ihrem Kopf umher. „Sagen Sie“, begann sie schließlich, „haben Sie einen Pfau?“
Connor McHugh sah von seinem Eimer mit der neongelben Lösung auf. Er klopfte den Rührstab ab und schüttelte den Kopf. „Nein, warum?“
„Weil ich jeden Abend einen Pfau schreien höre. Aber wenn ich keinen habe, und Sie auch keinen haben …“ Sie gab ein Achselzucken von sich. „Woher kommen dann die Schreie?“
„Sind Sie sicher, dass es Pfaue sind? Und nicht vielleicht andere Tiere?“
„Nun, ich kenne die Schreie aus Gruselfilmen und im Park habe ich sie auch schon gehört, von daher … ja, ich bin mir ziemlich sicher.“
„Die vorigen Bewohner von Lakefield House hatten Pfaue. Sie liefen frei auf ihrem Grundstück herum. Vielleicht … wer weiß, vielleicht sind einige abgehauen, nachdem sie … und leben wild. Aber ich weiß nicht …“ Er schüttelte hastig den Kopf, als wollte er einen unerwünschten Gedanken loswerden. Eine Geste, die an ihm ungewohnt kindisch wirkte.
„Hören Sie die Pfauenschreie nie?“
McHugh fand sein Lächeln wieder. „Bei dem Hämmern?“
Das brachte nun auch Rebecca zum Lachen. Sie ließ es dabei bewenden und versorgte zusammen mit dem Schmied Lizzys Fuß. Anschließend ging sie zurück nach Hause, in die Küche und aß schnell einen Toast. Der Whiskey auf leeren Magen hatte durchaus Wirkung gezeigt, alles um sie herum war leicht linkslastig und hatte die Tendenz sich zu drehen.
Danach ging sie an den Schreibtisch und setzte sich. Eigentlich wollte sie ihre Skizzen vervollständigen, doch als ihr Blick auf den Papierkorb fiel, konnte sie nicht anders als eines der Blätter herauszuholen. Sie strich es auf dem Schreibtisch glatt und versuchte aufs Neue die Zeilen, die sie in der vorigen Nacht geschrieben hatte, zu entziffern. Aber es gelang ihr nicht auch nur den Hauch eines Sinnes in den merkwürdigen Chiffren zu erkennen. Für einen Augenblick kehrte die Gänsehaut zurück.
Am Abend saß sie wieder dort. Sie hatte sich ein Glas Wein eingegossen, starrte aus dem Fenster und versuchte zu begreifen, was ihr Unterbewusstsein zu Papier gebracht hatte. Sie nippte an ihrem Wein. Ihr war gar nicht aufgefallen, dass die Sonne untergegangen, dass die Nacht ins violette Licht des Vollmondes getaucht worden war. Der Pfau schrie wieder, der Wind peitschte die Regentropfen gegen die gläserne Balkontüre. Die Angst schlich sich in Rebeccas Herzschlag und beschleunigte ihn mehr und mehr. Sie fühlte sich, ja, sie wusste nicht, wie sie es anders hätte ausdrucken können, aber sie fühlte sich, als wäre sie nicht allein in Lakefield House.
Es klopfte. Rebecca fuhr zusammen. Ihre Angst wurde zu Panik, als sie sich zwang ganz ruhig den Gang entlang und hinab in die Halle zu gehen. Das leise Echo ihrer Schritte machte sie nervös, und unwillkürlich fing sie zu schleichen an.
„Wer ist da?“
„Sean, Miss Turner!“
Sie war erleichtert eine jugendliche Stimme zu hören, und auch der Name kam ihr bekannt vor, selbst wenn sie im Augenblick nicht wusste, wo sie ihn einordnen sollte. „Was gibt es … Sean?“
„Das Boot ist fertig, Miss!“
„Ach, das Boot!“ Rebecca zog beruhigt die Haustüre auf und ließ den jungen Sean in die Halle.
Er schüttelte sich kurz, und zog die Nase hoch. „Ihr Licht in der Einfahrt ist kaputt. Sonst hätte ich es allein abgeladen. Schönen Abend, Miss.“
Rebecca fragte sich, wie er das hätte anstellen wollen. „Tut mir leid, dass Sie im Dunkeln herumtappen mussten.“
„Ist schon okay. Wenn Sie wollen, kann ich’s Ihnen reparieren.“
„Das Licht?“
„Ja.“
Rebecca zuckte mit den Achseln. „Wenn Sie das können.“
„Klar, mach ich morgen. Sollen wir das Boot noch schnell zum See bringen?“
„Heute noch?“ Rebecca war viel zu faul, um das schwere Boot vom Anhänger zu hieven und zu Wasser zu lassen.
„Wenn’s geht, Miss, ja. Ich brauch den Anhänger morgen früh für ein anderes Boot.“
Sie schnaufte und schlüpfte in ihre Turnschuhe. Nachdem sie die Gartenbeleuchtung angeschaltet hatte, ging sie mit Sean hinaus.
Sie lotste ihn mit seinem alten Lieferwagen und dem Anhänger dahinter den schmalen Pflasterweg zum See hinunter. Anschließend hoben sie das Boot, das repariert noch viel schwerer war, herab und
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