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Lakritze - Thueringen Krimi

Lakritze - Thueringen Krimi

Titel: Lakritze - Thueringen Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylke Tannhaeuser
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können.
    Der Wein war gut, frisch-fruchtig, wie Carla ihn mochte. Ralph hielt sich zurück, er nippte an seinem Tee. Nach jedem Glas Wein schaute Carla zu Feuerbirk hinüber, und jedes Mal weilte ihr Blick ein wenig länger auf ihm. Als die Flasche leer war, wollte sie nach Hause gehen.
    Die Uhr vom Kirchturm schlug elf. Knubbel hatte die Dorfkneipe keinen Moment aus den Augen gelassen. Als sich die Tür öffnete und die beiden Gäste Arm in Arm in die Nacht traten, zog er sich ins Gebüsch zurück.
    Er stellte seinen Kragen hoch und schob die Mütze tiefer ins Gesicht. Dann folgte er dem Pärchen. An der Biegung zum Teich wandte er sich nach rechts. Dort verlief ein schmaler Weg, eine Abkürzung. Er ging, so schnell er konnte.
    Zu Hause atmete er auf. Er hatte es geschafft, niemand hatte ihn gesehen.
    Still kauerte er sich in den Stall. Er kniff ein Auge zusammen und presste das andere an die breite Ritze zwischen Tür und Wand.
    Die Gäste waren in der Einfahrt stehen geblieben. Sie küssten sich, und Knubbel leckte sich die Lippen. Was für eine Klassefrau. Die war nicht nur hübsch, sondern auch nett. Ein guter Mensch, sonst hätte er sie nie an die Kaninchen gelassen.
    Sie hatte viele Fragen gestellt. Er hatte geantwortet, so gut er es vermochte. Sie hatte aufmerksam zugehört.
    Knubbel seufzte. Wenn nur Helene ebenso rücksichtsvoll wäre.
    Es hatte Streit gegeben, das kam in letzter Zeit öfter vor. Helene hatte ihm gedroht. Er sollte die Vergangenheit ruhen lassen, sollte seine Hirngespinste vergessen. Im Jetzt und Hier solle er leben, alles andere war vorbei.
    Sie hatte das Steak, das schon auf seinem Teller gelegen hatte, weggenommen und zurück in die Pfanne getan. Dem Essen gab sie die Schuld für seine Gedanken. Fleisch war Gift, sagte Helene immer. Gewöhnlich nahm er es ihr nicht übel, denn er kannte ja den Grund.
    Der Großvater, Knubbel sah ihn noch immer wie eine hölzerne Puppe mit steifen Gliedern auf dem Bett liegen. Er wusste nicht mehr, was der Arzt gesagt hatte. Ein Wort zuckte flüchtig durch sein Gehirn. Eine Blume, Art – Rose – Artrose. Unwillig wischte er das Wort beiseite. Keine Störung jetzt, er musste denken. Was war es noch gewesen?
    Richtig – der Großvater … Krank sei er, hatte der Doktor gemeint. Die Dörfler wussten es besser. Menschenfresser, hatten sie getuschelt. Na und? Was war daran schlimm? Kriegsjahre waren hart, das hatte Großvater oft erklärt. Hart für die Menschen und noch härter für einen Metzgermeister, dessen Handwerk plötzlich brotlos geworden war. Kein Fleisch, kein Geschäft.
    Irgendwann war der Großvater gestorben. Sie hatten ihn auf dem Gottesacker des Dorfes beerdigt, doch in der Nacht hatten Unbekannte sein Grab aufgebuddelt und den neu gesetzten Stein umgestoßen.
    Vater hatte wie immer getobt und noch schneller als sonst bei jeder Gelegenheit zugeschlagen. Später dann, als die vom Großvater übernommene Landfleischerei immer leerer blieb, war er still geworden und mit ihm die ganze Familie. Unmerklich hatte sich der Vater verändert, bis er als Sonderling im Dorf verschrien war. Niemand wollte etwas mit ihm zu tun haben, auch Knubbel nicht. Er hatte Angst vor dem Vater und war froh gewesen, dass der sich nicht um ihn kümmerte.
    Dennoch hatten Helene und Knubbel gelitten. Manchmal, wenn es ganz still um ihn war, konnte er hören, wie die Hänseleien der anderen Kinder noch immer in seinem Kopf herumspazierten. Auch die von Ira, der Nachbarstochter, die eigentlich seine Freundin gewesen war. Auch sie hatte ihn gequält, wenn auch auf andere Art. Sie hatte ihn verführt und benutzt. Durch sie hatte er sein Lachen verlernt.
    Helene hatte ihn immer getröstet, die vielen Jahre hindurch. Sie war weich und meistens still, wenn er sie in die Arme nahm. Dann war er wie sein Rammler, so stark und frei. Helene konnte ihm Vergessen schenken, wenn sie wollte. Gestern hatte sie nicht gewollt. Ein Wort hatte das andere gegeben, bis sie heulend in ihr Zimmer gerannt war. Seitdem hatte er kein einziges Mal gelacht, dabei war Lachen wichtig.
    Der Geruch des Heus krabbelte Knubbel in die Nase. Er presste die Nasenflügel zusammen, um nicht zu niesen.
    Diese Carla könnte das Lachen zurückbringen. Der Mann, dieser Ralph, war allerdings ein Hindernis. Der musste weg, und zwar schnell. Doch wie sollte er es anstellen? Ihm blieben nur einige Tage. Wenn er diese Carla bis dahin nicht auf seiner Seite hatte, würde sie für immer verschwinden. Nach Sachsen.

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