Lakritze - Thueringen Krimi
mickriger Kreis, beschränkt auf einen Teil der Tischplatte. Das Licht reichte weder bis zum Ende des Tisches noch bis zu dem Besucherstuhl, der auf der anderen Seite stand.
Feuerbirk streckte sich und gähnte. Er hatte einen langen Tag hinter sich. Erst das Ergebnis der Obduktion, dann Absprachen, Faktenklärung und dazu die leidige Organisation innerhalb der Soko, die sich endlich zusammengefunden hatte. Es war weit nach Mitternacht.
Er stieß den Stuhl zurück und stand auf. Zeit, nach Hause zu verschwinden und ein paar Stunden zu schlafen. Er war schon an der Tür, als sein Handy klingelte. Einen Moment lang erwog er, es zu ignorieren, sah dann auf dem Display, dass der Anrufer Frank Zagemann war, und meldete sich.
»Ja?«
»Leichenfund in Sondershausen. Komm, so schnell du kannst.«
Zagemann brach die Verbindung ab, ehe Feuerbirk nachfragen konnte. Fluchend stopfte er sich sein Notizbuch in die Lederjacke und rannte die Treppen zum Ausgang hinab. Sein Motorrad stand noch dort, wo er es am Morgen abgestellt hatte. Daneben standen zwei Streifenwagen mit eingeschaltetem Blaulicht, das gespenstisch über die Straße zuckte.
»Fahren Sie bei uns mit, oder folgen Sie allein?«, fragte ein Polizist.
Doch Feuerbirk saß schon auf seiner Harley und betätigte den Anlasser. Der Motor röhrte.
Sie rasten die Nordhäuser Straße entlang, bogen links in die Lissabonner und nach knapp vierhundert Metern auf die B4.
Feuerbirk hätte die Streifenwagen mühelos abhängen können, doch er hielt sich dahinter. Noch wusste er nicht, wo genau die Leiche entdeckt worden war. Zagemann hatte es ihm nicht gesagt, und der Schlosspark war groß.
Die Straßen waren leer. Sie brauchten keine Stunde, dann hatten sie Sondershausen erreicht. Zagemann erwartete ihn vor dem Schloss und führte ihn in den Park. Das von außen angeleuchtete Achteckhaus schimmerte durch die Bäume. Nach fünf Minuten schnellen Marsches hielten sie an einer Gruppe dicht stehender Gehölze.
»Die Leichenstarre hat noch nicht eingesetzt. Weiblich, Anfang bis Mitte zwanzig, nackt und mit Würgemalen am Hals und einer fehlenden Zungenspitze. Wenn das nicht zu deinem aktuellen Fall passt, fresse ich einen Besen«, sagte Zagemann. Sein ansonsten akkurat gekämmter Scheitel war verwuschelt, sein Anzug ganz zerknittert.
»Verdammte Scheiße!« Feuerbirk ging in die Hocke. Die Tote hatte langes schwarzes Haar, das wie ein Teppich um ihren Kopf ausgebreitet war. Einige Strähnen glänzten nass von Blut. Blut war auch im Gesicht der Toten. An dem weißen Hals waren deutliche Würgemale zu sehen.
»Ist der Arzt da?«, fragte Feuerbirk.
»Die Rechtsmedizin ist informiert. Dr. Bauer ist unterwegs.«
Feuerbirk zeigte auf eine Gruppe abseits stehender Menschen. »Was sind das für Typen?«
»Hochzeitsgäste. Die Gesellschaft hatte sich eigentlich schon aufgelöst. Die meisten sind gegangen, bevor die Leiche entdeckt wurde.«
»Wer hat sie gefunden?«
»Eine Frau, ich bringe dich nachher zu ihr. Wir haben sie vorsorglich von den anderen getrennt. Du weißt ja, wie das ist.«
Zagemann spielte auf das typische Verhalten von Augenzeugen an. Man redete über das Geschehen, tauschte sich aus, fügte etwas hinzu oder ließ etwas weg, bis am Ende sogar Unbeteiligte überzeugt waren, alles mit eigenen Augen gesehen zu haben.
»Irgendwelche Besonderheiten?«
»Abgesehen von der Toten? Nein. Es war ein Fest wie jedes andere, Hochzeiten werden hier fast jede Woche gefeiert, das Restaurantpersonal hat Erfahrungen damit. Die heutige Gesellschaft hat sich anscheinend völlig normal benommen. Keine Keilereien, kein Streit. Ein Freudenfest, Hochzeit eben.«
Sie steuerten das Restaurant an. Aus den großen Fenstern fiel helles Licht nach draußen. Das Restaurant war leer, die Stühle hochgestellt.
Zagemann schob Feuerbirk ins Innere. In der Mitte des Saales waren Angestellte dabei, die Hochzeitstafel abzubauen. An einem Tisch am Rand saß eine Frau in einem roten Kleid. Sie sah mitgenommen aus, regelrecht grau im Gesicht. Zagemanns Zeugin.
Feuerbirk sah die halb leere Champagnerflasche vor ihr stehen und fragte sich, wie glaubwürdig die Zeugin war. »Kriminalkommissar Torsten Feuerbirk«, stellte er sich vor und setzte sich ihr gegenüber auf einen Stuhl.
»Luise Moorbrot, ich bin die Tante der Braut. Sagen Sie Lulu zu mir, das tun alle. Ich fürchte, ich bin im Augenblick ziemlich durcheinander.« Ihre Stimme zitterte.
»Das ist verständlich.« Feuerbirk stopfte seine
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