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Lakritze - Thueringen Krimi

Lakritze - Thueringen Krimi

Titel: Lakritze - Thueringen Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylke Tannhaeuser
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Zungenspitze schob er das Bonbon herum, bis es am Gaumen klebte. Er saugte einige Male, dann nahm er es zwischen die Zähne. Es knackte laut, als er es zerbiss. Die herbe Süße umhüllte den Blutgeruch und nahm ihn weg. Er schloss die Augen.
    »Bist du müde?«, fragte Carla.
    Sie musste ihn beobachtet haben. Es war ihm unangenehm, doch er hätte nicht sagen können, weshalb.
    »Nein«, entgegnete er.
    Die Falte auf ihrer Stirn vertiefte sich. Sie glaubte ihm wohl nicht. Er legte die Zeitung zusammen und schwang sich vom Bett.
    »Ich gehe noch einmal an die frische Luft. Vielleicht mache ich ein Schwätzchen.« Er hörte selbst, wie lahm seine Worte klangen.
    »Ja, mach das. Ich bin hier noch eine Weile beschäftigt«, sagte Carla. Ihrem Tonfall konnte er entnehmen, dass auch sie alles andere als überzeugt war.
    Draußen war es ungewohnt schwül für die fortgeschrittene Stunde. Der kühle Abendwind hatte sich gelegt, stattdessen war die Wärme des Tages zurückgekommen, als wäre sie nie fort gewesen.
    Ralph wandte sich nach links durch die Einfahrt in den Hof, wo die Bank stand. Dort wollte er sich hinsetzen und in Ruhe nachdenken. Zwei Schatten bewegten sich dort im Dämmerlicht. Er verlangsamte seinen Schritt. Die beiden mussten ihn gesehen haben, denn der eine Schatten stand auf und kam ihm entgegen. Jetzt erkannte Ralph den Kommissar.
    »Ich räume das Feld«, sagte Feuerbirk, als sie auf gleicher Höhe waren. Er verschwand um die Ecke.
    Ralph ging weiter. Im Näherkommen erkannte er die andere Gestalt. Es war Helene Ritter. Sie begrüßte ihn mit einem scheuen Lächeln. Er lächelte zurück und setzte sich zu ihr. Gestern sah sie älter aus, sie hatte sich die Haare abschneiden lassen.
    »Hübsche Frisur«, sagte er.
    »Ich wollte mal etwas anderes ausprobieren.«
    Helene zupfte an einer Strähne herum. Schade, dass es so kurz war, dachte Ralph und schalt sich gleich darauf. Was ging es ihn an, wie die Wirtin ihre Haare trug? Ihr Aussehen hatte durch den neuen Schnitt gewonnen. Sie sah jünger aus. Ihre Züge waren weicher, der Mund glich einer der roten Rosen, die im Sondershausener Park wuchsen. Er fragte sich, wie er auf einen derart kitschigen Vergleich kommen konnte. Das passte nicht zu ihm. Oder doch? Musste man als Maler nicht romantisch und verklärt sein?
    »Was für eine herrliche Nacht«, seufzte Helene Ritter.
    »Es ist zu warm für die Jahreszeit.«
    »Ich mag es so.«
    Ich auch, dachte Ralph. Von ihm aus hätte es noch wärmer sein können.
    »Was haben Sie heute gemacht?«, fragte Helene.
    »Nicht viel. Carla muss arbeiten, da bin ich mir selbst überlassen.«
    »Sie Ärmster.«
    »Kein Grund, mich zu bedauern. Ich war wandern. Ich bin gern unterwegs. Es stört mich nicht, allein zu sein.« Im Gegenteil, er war lieber ungestört im Wald. Wieder eine Erkenntnis, die ihn betroffen machte. Wieso zog er die Einsamkeit vor? Bislang hatte er gedacht, er wollte jede Sekunde mit Carla verbringen.
    »Da haben wir etwas gemeinsam. Ich habe auch Ruhe lieber.«
    Erstaunt wandte er den Kopf. Helene sah ihm direkt in die Augen. Das Leuchten, das er in ihrem Blick entdeckte, weckte Erinnerungen in ihm an eine andere Zeit, eine andere Frau. Dunkelbraune Augen, die von dichten, langen Wimpern umrahmt waren. Ein schmales Gesicht über einem Körper, der in ein weich fallendes Gewand gehüllt war, das mehr zeigte als verbarg. Er blinzelte, und das Bild verschwamm.
    »Ist Ihnen nicht gut?«, fragte Helene.
    Ralph winkte ab. Das fehlte noch, dass die Wirtin merkte, wie es um ihn stand.
    »Helene?« Knubbels Stimme schallte in der Stille der Nacht.
    Der Ruf ließ beide zusammenzucken.
    »Ich komme«, rief Helene zurück, und sie erhob sich. »Mein Bruder, ich muss nach ihm sehen.«
    Ralph schaute ihr nach. Er starrte noch immer in das Dämmerlicht, als sie längst aus seinem Blickfeld verschwunden war.

ZWÖLF
    Knubbel hatte sich auf dem niedrigen Dachboden des Kaninchenstalles im Heu vergraben. Er brauchte Ruhe, er wollte nachdenken. Die letzten Tage war es ihm schlecht gegangen. Er hatte ein Sehnen in sich gespürt, das er nicht kannte. Erst hatte er mit der Schwester darüber reden wollen, doch als er gesehen hatte, wie die um diesen Herrn Bartwick herumscharwenzelte, hatte er es gelassen. Sie hatte sich verändert. Nicht nur die Frisur war neu. Da war ein Ausdruck in ihren Augen, den er nicht zu deuten wusste. Er beunruhigte ihn.
    Knubbel zog einen Halm aus dem Heu und kaute darauf herum. In der Dachpappe an

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