Lakritze - Thueringen Krimi
Touristeninformation geparkt. Sie stiegen ein. Er fuhr zügig. Immer wieder blickte er zu Carla hinüber, die aus dem Fenster schaute. An einer Kreuzung standen zwei ältere Damen am Straßenrand und unterhielten sich. Die eine hatte einen Hund dabei, er kläffte, als Ralph vorüberfuhr.
Sie erreichten den Ortsausgang, Ralph drückte das Gaspedal durch. Da kam wie aus dem Nichts ein Auto herangeschossen. Carla schrie. Ralph stieg auf die Bremse. Flüchtig erkannte er eine junge Frau am Steuer des Wagens, dann war er auch schon vorbei.
Die Rückfahrt verlief schweigend. Ab und zu nahm Ralph die rechte Hand vom Lenkrad und legte sie auf Carlas Oberschenkel. Immer wieder blitzte es vor seinen Augen, er hatte Mühe, sich auf die Fahrt zu konzentrieren.
Er hatte keine Ahnung, wie er nach Weimar gekommen war. Während der gesamten Fahrt grübelte er darüber nach, doch er fand keine Erklärung.
Dunkel erinnerte er sich, dass er durch Parks und Straßen gelaufen war. Dann hatte sein Handy geklingelt, und unmittelbar darauf war er auf Carla gestoßen. Was die Zeit davor betraf, war sein Gedächtnis leer. Was geschah mit ihm? Er war es gewohnt, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Jetzt jedoch fühlte er sich einer fremden Macht ausgeliefert. Einer Macht, auf die er keinen Einfluss hatte.
Wahrscheinlich wurde er allmählich verrückt. Morgen musste er sich mit Jürgen in Verbindung setzen. Es war an der Zeit, dass er endlich wieder zu sich fand.
Langsam ging Viola Gunder den Weg entlang, der zum Restaurant führte. Der Sand war frisch geharkt, der Rasen musste ebenfalls erst vor Kurzem geschnitten worden sein. Die trockenen Halme lagen noch am Rand. Viola war zum Schloss Sondershausen gefahren, um mit sich ins Reine zu kommen. Und dazu gehörte, dass sie Lilly Abbitte leistete. Ja, die Freundin war tot, doch wo immer sie jetzt sein mochte, ihre Seele würde sie hören. Dessen war sich Viola sicher.
Sie machte alles so wie vor ein paar Tagen, als sie mit Lilly hier gewesen war. Sie war durch den Park gelaufen und hatte ein Weilchen vor dem Achteckhaus gestanden und das Gebäude betrachtet. Es war sonderbar, aber sie meinte manchmal, die Freundin tatsächlich neben sich zu spüren. Auf einer Bank, von der aus sie den Eingang des Restaurants im Blick hatte, nahm sie Platz. Ihre Beine schmerzten, der Spaziergang hatte sie angestrengt. Müde schloss Viola die Augen. Hinter ihr knackte es. Sie öffnete die Augen und drehte sich um. Mücken spielten über den Zweigen der Büsche. Da war nichts, aber ihr Herz pochte auf einmal stärker. Sie meinte, Blicke zu spüren, und stand auf. Ein neues Knacken ließ sie herumfahren. Sie versuchte, im dichten Blätterkleid der Sträucher etwas zu erkennen, doch sie konnte niemanden sehen. Vielleicht war es nur ein Vogel, der im Gebüsch umherhuschte.
Da knackte es erneut, diesmal lauter. Also doch, da musste etwas sein. Es fuhr ihr kalt über den Rücken.
Unvermittelt wurden die Zweige auseinandergebogen, und ein Mann quetschte sich aus dem Busch ins Freie. Er lächelte.
Der Mann sah nicht wie ein Gangster aus. Eher wie ein Familienvater, richtig gutmütig. Er hatte ein rundes Gesicht und einen dicken Bauch. Viola atmete auf.
»Keine Angst, ich bin gleich weg«, sagte der Mann.
»Macht nichts, ich wollte sowieso gehen«, sagte Viola.
Der Mann hatte sich schon abgewendet, doch als er ihre Worte hörte, erstarrte er. Langsam drehte er sich um.
Viola erschrak. Ihre Worte klangen wie ein Echo in ihr nach: Ich wollte ssowießo gehen. Sie hatte wie Lilly gelispelt.
Mit dem Mann war eine Veränderung vor sich gegangen. Seine Augen waren auf sie gerichtet und blickten gleichzeitig durch sie hindurch. Er wirkte abwesend, wie in einer anderen Welt. Seine Hände schlossen und öffneten sich, unentwegt.
Er kam auf sie zu.
Viola drehte sich um und hastete über die Wiese auf das Restaurant zu. Sie schaute nicht zurück. Bestimmt war der Kerl direkt hinter ihr. Fast konnte sie seinen Atem in ihrem Nacken spüren. Gleich würde er sie packen, gleich würde er ihr etwas Schreckliches antun. Wie Lilly.
Sie schrie, rannte, so schnell sie konnte. Tränen schossen ihr in die Augen, als sie das Restaurant erreichte. Sie stieß die Tür auf und stürzte in den Saal. Stimmengemurmel schlug ihr entgegen. Die meisten Tische waren besetzt. Ein Kellner, der mit einem Tablett in der Hand aus der Küche kam, schaute sie an.
»Da ist ein Mann.« Keuchend zeigte sie hinter sich.
Die Türen des
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