Lakritze - Thueringen Krimi
weh.«
Knubbel war so nah, dass sie die roten Äderchen in seinen Augäpfeln sehen konnte.
»Bleiben Sie weg von mir«, schrie Carla.
Das raue Holz drückte in ihrem Rücken. Knubbel beugte sich vor, und sie ruckte den Kopf zur Seite. Zu langsam, seine Lippen streiften ihre rechte Schläfe. Carla schrie auf. Knubbel griff nach ihren Armen und wollte sich auf sie werfen. Doch da wurde die Tür aufgestoßen, Morgenlicht flutete den Stall. Ralph stürzte herein. Augenblicklich waren er und Knubbel ineinander verkeilt.
Carla stand noch immer gegen die Wand gedrückt. Sie zitterte am ganzen Leib. Ralph bekam einen Arm frei und hämmerte die Faust in Knubbels Seite. Knubbel fiel zu Boden, Ralph stürzte sich auf ihn und schlug erneut zu. Wieder und wieder. Knubbel wimmerte und riss die Hände hoch, um seinen Kopf zu schützen. Er trat nach Ralph, doch der wich aus.
Carla schrie. »Hör auf, du schlägst ihn tot.« Sie versuchte, die Männer zu trennen. Sie griff nach Ralph, erwischte sein Hemd und zerrte daran. Mit einem lauten Ratschen zerriss der Stoff. Sie krallte sich an seinem Arm fest und zog ihn fort.
»Du bringst ihn um, um Gottes willen«, schrie sie Ralph an.
Doch der schien sie nicht zu hören. Er schüttelte sie wie eine lästige Fliege ab.
Sekundenlang war Carla ratlos, dann rannte sie aus dem Stall und hetzte über den Hof. Sie brauchte Hilfe, irgendjemand musste ihr beistehen.
»Frau Ritter, schnell«, rief sie, noch ehe sie das Haus erreicht hatte.
Die Wirtin tauchte unter dem Türstock auf. »Was ist denn los?«
»Ihr Bruder und Ralph, sie prügeln sich. Kommen Sie.«
Carla drehte sich um, und gefolgt von Frau Ritter rannte sie sofort zurück.
An der Stalltür hielt Frau Ritter Carla fest. »Lassen Sie mich das machen. Ich weiß, was ich bei meinem Bruder zu tun habe.«
Sie schob sich an Carla vorbei in den Stall und schnappte sich die Mistgabel. Mit dem Stiel hieb sie zwischen die Männer. Es dauerte geraume Zeit, bis sie die Schläge spürten und innehielten.
Carla stürzte zu Ralph. Während Frau Ritter sich um ihren Bruder kümmerte, zog sie Ralph mit sich fort.
»Was hast du dir bloß gedacht?« Carla reichte ihm ihr Taschentuch, damit er es sich unter die blutende Nase halten konnte.
»Das Schwein wollte über dich herfallen.«
»Unfug. Ich bin selbst schuld. Vielleicht habe ich sein Kaninchen falsch angefasst.« Die Angst, die sie soeben noch vor Knubbel gehabt hatte, war verschwunden. Vermutlich hatte sie ihn missverstanden. Knubbel hatte schließlich keinen Grund, sie anzugreifen.
Sie hakte Ralph unter und brachte ihn in ihr Zimmer hinauf. »Komm ins Bad.«
Er setzte sich auf die Toilette. Carla füllte das Waschbecken mit kaltem Wasser, nahm ein Handtuch und tauchte es hinein. Mit einem Zipfel wischte sie vorsichtig Ralphs Gesicht ab.
»Beug dich nach vorn. Dein Nasenbluten ist noch nicht vorbei«, sagte sie und legte ihm das kalte Tuch in den Nacken. »Was wolltest du überhaupt im Stall?«
»Helene – ich meine Frau Ritter – hat mir gesagt, wo ich dich finde.«
»Helene?« Dass Ralph die Wirtin beim Vornamen nannte, versetzte ihr einen Stich.
»Ich wollte dir Bescheid sagen, dass ich mich nachher mit Jürgen treffe.«
»Wieso das denn? Ich denke, wir haben Urlaub. Auch wenn es unser letzter Tag ist.«
»Ich muss mit ihm sprechen.« Ralph nahm das Handtuch aus seinem Genick und ließ es auf die Fliesen fallen. Er taumelte, als er sich erhob.
Aus einem Impuls heraus wollte Carla ihn stützen, doch dann ließ sie die Arme sinken. Ralph schien sie nicht einmal wahrzunehmen. Wahrscheinlich war er gedanklich schon bei seinem Treffen.
»Zwischen uns läuft alles schief«, sagte sie. »Wir sollten uns endlich aussprechen, und zwar gründlich.«
Ralph antwortete nicht. Er zog sich ein frisches Hemd über.
»Ralph, hast du mich gehört?«
Keine Reaktion. Sie wartete einige Sekunden, doch Ralph hielt ein Gespräch offenbar nicht für wichtig, zumindest nicht mit ihr. Wortlos stapfte er an ihr vorbei aus dem Zimmer.
»Blöder Hund«, schrie Carla und warf ihm das nasse Handtuch hinterher. Es landete mit einem Klatschen auf der Tür, die hinter Ralph ins Schloss gefallen war.
Knubbel hasste es, wenn Helene wütend war, und besonders, wenn sie wie jetzt dabei die Arme in die Seiten stemmte. In solchen Augenblicken glich sie auf sonderbare Weise Lattkowitz. Er brauchte sich den Alten nicht vorzustellen, sein Gesicht tauchte ungerufen vor ihm auf. Er verstand, dass der Alte
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