Lakritze - Thueringen Krimi
Restaurants standen offen und gaben den Blick auf den Platz davor frei. Aber da war niemand. Sie war allein.
Viola schluchzte. »Er hat mich verfolgt.«
Der Kellner nickte. Vermutlich wollte er sie beruhigen, schreiende Gäste sind schlecht fürs Geschäft. Sie konnte es in seinen Augen sehen, dass er ihr nicht glaubte, doch sie hatte nicht die Kraft, zu protestieren.
Er nahm das Tablett in die andere Hand. »Trinken Sie einen Tee, das wird Sie beruhigen.«
Viola nickte wortlos, und er ging, um die Bestellung weiterzuleiten.
Sie suchte sich einen Platz weit weg von der Tür. Immer wieder schaute sie aus dem Fenster, stets in der Furcht, den schrecklichen Mann draußen irgendwo zu sehen. Jedes Mal war sie erleichtert, dass sie ihn nirgends entdecken konnte. Die Rasenfläche lag grün und ungefährlich im Sonnenlicht.
Sie blieb bis zum Abend. Etwas in ihr sträubte sich, das schützende Restaurant zu verlassen. Alle Gäste waren bereits gegangen, und der Kellner fragte, ob sie noch irgendeinen Wunsch hätte. Er wollte Feierabend machen.
Viola zahlte. Vielleicht könnte sie den Kellner bitten, sie zu ihrem Auto zu begleiten. Doch dann hatte sie nicht den Mut dazu.
Es dämmerte, als sie ins Freie trat. Sie war kaum hundert Meter weit gegangen, da sah sie den Mann, vor dem sie davongelaufen war. Sein rundes Gesicht glänzte vor Schweiß. Er musste den ganzen Nachmittag auf sie gewartet haben. Ihr Blick flog an ihm vorbei, doch er verstellte ihr den Weg.
»Hast wohl gedacht, du entkommst mir? Einfach abhauen?«
»Was wollen Sie von mir? Lassen Sie mich durch. Ich kenne Sie nicht.«
»Dreckige Lügnerin.« Der Mann griff nach ihr.
Viola wich ihm aus, er stolperte ins Leere. Das war ihre Chance. Wo war der verdammte Weg?
Sie hastete aufs Geratewohl einen Trampelpfad entlang. Tränen verschleierten ihren Blick, zornig wischte sie sie ab. So einfach würde sie sich nicht schnappen lassen.
Der Pfad wurde breiter, Viola rannte schneller, und plötzlich war der Weg wieder da. Durch die Büsche konnte sie ihr Auto auf dem beleuchteten Parkplatz sehen. Noch im Laufen fummelte sie den Zündschlüssel aus der Jackentasche. Sie erreichte den Parkplatz, rannte quer über die leere Fläche zu ihrem Auto. Die Tür, sie musste sie öffnen. Ihre Hand zitterte, sie verfehlte das Schloss, und der Schlüssel fiel in den Kies. Sie weinte vor Angst, tastete zwischen den Steinchen herum. Da, der Schlüssel, sie hatte ihn.
Schon konnte sie den Mann näher kommen hören. Seine Schritte knirschten auf dem Kies, beinah hatte er sie erreicht. Da glitt der Schlüssel ins Schloss, Viola riss die Tür auf, warf sich hinters Steuer, knallte die Türe zu und hämmerte auf den Verriegelungsknopf.
Gerade noch rechtzeitig. Der Mann stand direkt vor der Fahrertür. Viola schrie entsetzt auf, als er die Nase an die Scheibe presste und am Griff der Tür rüttelte. Mit fliegenden Händen steckte sie den Schlüssel ins Zündschloss, der Motor heulte auf. Sie trat mit aller Kraft aufs Gaspedal, das Auto machte einen Satz. Der Mann wurde beiseitegeschleudert, doch Viola schaute nicht zurück. Ihr Wagen schlingerte gefährlich. Sie dachte nicht daran, den Fuß vom Gaspedal zu nehmen. Fort, nur fort. Weimar, das Studentenwohnheim, das war der einzige Ort, an dem sie in Sicherheit war.
Krampfhaft hielt sie das Lenkrad fest. Sie hielt sich in der Straßenmitte und biss bei jeder Kurve die Zähne zusammen. Am Ortseingang Weimar kam ihr ein silberner BMW entgegen, in letzter Sekunde wich sie ihm aus. Bremsen kreischten, dann war sie auch schon vorbei.
ACHTZEHN
Ein leichter Nieselregen fiel und vermischte sich mit dem Dunst, der über die Wiesen waberte.
»Was für ein grauer Tag«, seufzte Carla, die am Fenster ihres Zimmers stand und hinausschaute.
»Morgen ist unser Urlaub zu Ende«, sagte Ralph.
Carla zog die Gardine zu und wandte sich zu ihm um. »Du sagst das so, als könntest du es kaum erwarten, wieder zurück in die Klinik zu kommen.«
Ralph schaute sie wortlos an. Zum ersten Mal, seit sie von Weimar zurück waren, fiel ihr auf, wie blass er war.
»Ist dir nicht gut?« Sie setzte sich neben ihn aufs Bett. »Ich bin so müde«, murmelte Ralph und strich sich über die Augen.
»Dann leg dich hin. Bei dem Wetter verpasst du ohnehin nichts.«
Widerspruchslos ließ Ralph zu, dass sie ihn in die Kissen drückte und zudeckte.
Liebevoll küsste sie ihn auf die Stirn. »Träume süß.«
Carla wartete, bis er eingeschlafen war, dann setzte sie
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