Lakritze - Thueringen Krimi
sich an den Tisch. Der schwarze Lack ihres Notebooks schimmerte verlockend unter einigen Zeitungen hervor, die Ralph gekauft hatte. Eine Zeit lang schaute sie das Notebook widerstrebend an. Sie wollte nicht noch einmal in Ralphs Leben herumstochern. Ihr genügte, dass er bei ihr war. Sie liebte ihn, alles war gut.
Aber stimmte das tatsächlich? Wieder fragte sie sich, wieso er sie am Vorabend so schnell in Weimar gefunden hatte.
Zögernd zog sie das Notebook zu sich heran und klappte es auf. Der leere Bildschirm schien sie auszulachen. Ihr Blick wanderte zu Ralph, der wie ein kleiner Junge in die Decke gekuschelt lag und ruhig schlief.
Sie loggte sich ein, um ihre E-Mails zu checken. Die Bauernzeitung wollte mehr Informationen zu ihrem Beitrag. Ein Interview mit dem Kaninchenhalter wäre gut, über Zuchtergebnisse zum Beispiel.
Ein leises Klopfen an der Tür ließ sie hochschrecken. Gleich darauf steckte Frau Ritter den Kopf herein. Kaum sah sie, dass Carla im Zimmer war, wollte sie sich schnell zurückziehen.
Carla stand auf. »Warten Sie, ich komme mit.«
»Ich wollte die Betten richten und das Bad putzen«, erklärte Frau Ritter. Sie setzte den Eimer ab und lehnte den Schrubber an die Wand.
»Es tut mir leid, aber mein Freund schläft noch. Er ist erschöpft, ich weiß gar nicht, weshalb.«
»Ich komme später wieder«, sagte Frau Ritter schnell und bückte sich nach dem Lappen, der ihr offenbar aus der Hand gefallen war.
Carla wunderte sich über die Röte, die das Gesicht der Wirtin überzogen hatte.
»Ist Ihr Bruder im Stall?«, fragte sie.
»Sicher. Wo sollte er sich sonst herumtreiben?«
»Ich brauche noch ein paar Informationen für meinen Artikel über die Kaninchen. Die Bauernzeitung will eine Fortsetzung drucken.«
»Na dann, viel Erfolg.«
Carla musterte Frau Ritter, die vor ihr die Treppe hinunterging. Sie hatte fast gehässig geklungen, als hätte sie mit einem Mal etwas gegen sie. Ihre Haare waren kürzer als sonst und mit Gel in Form gebracht. Sie bemerkte die Jeans und das eng anliegende Shirt. Frau Ritter hatte sich hübsch gemacht. Warum auch nicht? Helene Ritter war noch nicht alt, vielleicht hatte sie sogar eine Verabredung.
Im Hausflur nickte Frau Ritter Carla kurz zu, ehe sie in der Küche verschwand. Carla rannte durch die Pfützen über den Hof zum Stall. Sie stieß die Tür auf und schlüpfte hinein. Im Innern dauerte es einen Moment, bis sich ihre Augen an das schummrige Licht gewöhnt hatten. Die Kaninchen hockten in ihren Boxen und mümmelten schläfrig an Grünzeug und Möhren herum. Knubbel hatte sie also schon gefüttert, doch er selbst war nirgends zu sehen.
Carla ging vor den Boxen in die Knie und streckte dem Rammler den Finger hin. »Na, du?«
Das Tier richtete die Lauscher auf und schaute sie an, als spürte es, wie durcheinander Carla war. Er hoppelte ans Gitter, bis sie ihn berühren konnte.
»Du bist wunderbar weich.« Carla kraulte den Rammler unterm Kinn.
»Er hat das schönste Fell weit und breit.«
Carla sprang auf. »Herr Ritter.«
»Knubbel, bitte.« Knubbel öffnete das Gatter, holte den Rammler heraus und legte ihn Carla in den Arm.
»Hier mag er es am liebsten.« Er zeigte auf eine Stelle zwischen Ohr und Hals.
Sie standen direkt voreinander, und Carla spürte Knubbels Atem im Gesicht. Der Geruch nach Lakritze erinnerte sie an Ralph. Ob er noch schlief?
»Schön, dass Sie sich so für meine Tiere interessieren«, sagte Knubbel und beugte sich zu dem Rammler hinab.
Auf seinen strubbeligen Haaren glitzerten Regentropfen. Er roch feucht und modrig wie das Laub, unter dem Carla und Ralph die tote Marie gefunden hatten. Carla wich zurück. Plötzlich war ihr die Gegenwart von Knubbel unangenehm. Er flüsterte irgendwelche Worte vor sich hin. Es klang wie »lila, lila, lila«. Vielleicht verglich er den Rammler mit dem Milka-Schokoladenhasen.
Unvermittelt hob Knubbel den Kopf und starrte sie an. Sein Blick war kalt, er jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Als sie das Tier schnell in den Käfig zurücksetzte, berührte Knubbel ihre Hand. Carlas Magen verkrampfte sich, hastig zog sie ihre Hand zurück.
»Wo warst du all die Jahre?«, wisperte Knubbel.
»Wovon reden Sie?«
»Du hast dich vor mir versteckt, doch das brauchst du nicht.«
Vorsichtig schob sich Carla rückwärts, ganz langsam, Schritt für Schritt. Knubbel folgte ihr, bis sie die Stallwand im Rücken spürte und nicht weiterkonnte. »Hab keine Angst, ich tue dir nicht
Weitere Kostenlose Bücher