Lallbacken
sondern in Wirklichkeit aus dem Sozialbudget. Daraus folgt: Deutschlands teuerste Sozialhilfeempfänger sitzen in den Vorstandsetagen. Das hat doch etwas ungeheuer Tröstliches. Diese leitenden Sozialhilfeempfänger zeichnen sich durch hohe Kompetenz und eine phantasievolle Unternehmensführung aus. In ihren Postämtern neuen Stils kann man nicht nur Bleistifte und Bindfaden kaufen, sondern auch ein Schinkenbaguette verzehren, Filterkaffee trinken und sogar einen Brief aufgeben. Es kann einem allerdings passieren, dass die benötigten Postwertzeichen ausverkauft sind.
Der Service im Postamt ist ausgezeichnet und flink. Bis man am Schalter nach seinen Wünschen gefragt wird, vergehen im Durchschnitt fünf Minuten. Wenn ein Postler pro Stunde zwölf Kunden abfertigt, dann haben diese zusammen eine Wartezeit von sechzig Minuten erbracht. Wenn sich zwölf Kunden pro Stunde insgesamt sechzig Minuten die Beine in den Bauch stehen, dann heißt das: Bei einem Acht-Stunden-Tag werden von einem Postler oder einer Postlerin auch acht Warte-Stunden produziert. Da auf einem Postamt von sechs Schaltern meistens zwei besetzt sind, bedeutet das pro Tag sechzehn Stunden oder mit anderen Worten: In zweieinhalb Tagen produzieren die beiden Postler mehr Zeit, als ein zusätzlicher Angestellter eine Woche lang arbeiten könnte. Das heißt, die Kunden eines Postamtes erstehen an zehn Tagen eine Vollzeitstelle. Ja, der Segen der Privatisierung schwebt über dem Land. Und wenn eines Tages Herr Rösler privatisiert wird, kann er ja immer noch als Briefmarkenanlecker sein Auskommen finden.
Und es gibt noch einen Grund zur Freude: Die Zahl der bewaffneten Überfälle auf Postfilialen ist zurückgegangen. Daran hat die Deutsche Post einen erheblichen Anteil, denn durch die Einsparung ihrer Filialen wurden die Chancen der Räuber immer geringer, und es ist zu vermuten, dass nach Schließung der letzten Filiale die Überfälle ganz ausbleiben.
Heraklit aus Ephesos kommentierte die deutsche Wirtschaft schon vor rund 2 500 Jahren, also etwa 500 Jahre vor der Bergpredigt: »Möge nie der Reichtum euch ausgehen, Ephesier, dass offenbar wird, wie verkommen ihr seid.«
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Arbeitsministerium: Das Recht auf Arbeit brauchen wir nicht, aber das Recht auf Wohlstand
Anton Storch war von 1949 bis 1957 der Chef des Bundesministeriums für Arbeit. Da wusste man genau, worum sich das Haus zu kümmern hatte. Danach hieß es Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, und schließlich Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Und jede dieser Namensänderungen kostete einen Haufen Geld.
Einstein hatte sich einst gewundert: »Es ist eigentlich rätselhaft, was einen antreibt, die Arbeit so verteufelt ernst zu nehmen. Für wen? Für sich? Man geht doch bald. Für die Mitwelt? Für die Nachwelt? Nein, es bleibt rätselhaft.« Stimmt schon: Wir brauchen keine Arbeit. Wir brauchen Wasser, warme Kleidung, Schuhe, Wohnungen, Betten, Brot und Butter, Bier und Steaks, Bücher und Musik. Arbeit braucht kein Mensch. Die macht ja auch keinen Spaß. Das weiß jeder, der sich dank der Arbeit anderer Leute höheren Dingen widmen kann: Weibern, Weinkellern, Weltreisen, Wellness.
Laut Altem Testament ist Arbeit die Strafe Gottes. Aber dann kam Luther, und seitdem behaupten interessierte Kreise: Arbeit adelt. Das ist eine höchst durchsichtige Verarschung. Arbeit macht auch nicht frei: Sie engt einen ein. Es ist auch nicht einzusehen, warum die Arbeit unbedingt geschafft werden muss. Und warum diejenigen gelobt werden, die ihre Arbeit schaffen, obwohl man die Arbeit doch überall abschafft, um höhere Gewinne einzufahren.
Wenn Arbeitsplätze tatsächlich knapp sind, warum belohnen wir nicht diejenigen, die freiwillig auf Arbeit verzichten?
Im Bundesministerium für Arbeit und Soziales geht es um Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Reich und Arm, Oben und Unten. Es geht um Unternehmen. Die Ausgangslage hat Konfuzius beschrieben: Ein Unternehmen ist wie ein Baum voller Affen, alle auf unterschiedlichen Ästen auf unterschiedlichen Höhen. Einige klettern hoch, manche sitzen untätig herum, und manche machen Unsinn. Wenn die Affen ganz oben dann herunterschauen, sehen sie einen Baum voll lachender Gesichter. Die Affen ganz unten schauen nach oben und sehen nichts als Arschlöcher.
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