Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lallbacken

Lallbacken

Titel: Lallbacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Venske
Vom Netzwerk:
Arbeiterklasse, weil die sich damals geweigert hatte, die vor den Fabriktoren verteilten Flugblätter zu verstehen, und auch keinerlei Anstalten machte, die studierenden Genossen bei der Revolution zu unterstützen. Nun, nach dem erfolgreichen Marsch durch die Institutionen, konnten die 68er die Verarmung der Massen intensiv vorantreiben, um endlich revolutionäre Verhältnisse in Deutschland zu schaffen.
    Besonders CSU-Generalsekretär Markus Söder, die Vogelscheuche unter den Generalsekretären, nahm diese erbitterten Feinde der Gesellschaft ins Visier. Die »Alt-68er« hätten Schuld am Zerfall von Werten und Leitbildern, sagte er.
    Herr Söder, hören Sie mal her: Den 68ern, die grob gesagt den Jahrgängen von 1938 bis 1948 entstammen, blieb im Lauf der Zeit leider nichts anderes übrig, als allmählich alt zu werden. Und »Neu-68er« sind nirgends in Sicht.
    Herr Söder wollte mit der »Alt-68er-Jammerei« nichts mehr zu tun haben und rief zu einer breiten Diskussion unter »jüngeren Leistungsträgern« auf, um verlorengegangenen Werten wie Leistungsbereitschaft, Pünktlichkeit, Disziplin, Patriotismus und einem religiös begründeten Weltbild zu neuer Blüte zu verhelfen. Er hielt also den hell brennenden Schweinemist, den er absonderte, für einen Wert. Aber die Gehirnsülze von Franz Josef Strauß selig wurde nicht appetitlicher, wenn Söder sie wiederkäute.
    Bei der Vorbereitung der bedeutendsten aller bedeutenden Reden sprach der Bundeskanzler auch mit einem leibhaftigen, aber arbeitslosen Bauarbeiter. Der 55-Jährige sagte dem Kanzler, es sei große Scheiße, wenn er nach achtzehn Monaten das Arbeitslosengeld verlieren und ihn dann eine Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau erwarten würde; dann müsste er sein Erspartes für den Lebensunterhalt ausgeben, statt es weiter in die Ausbildung seiner Kinder zu investieren.
    »Das kannst du doch nicht machen, Kollege«, sagte er zum Kanzler.
    Und Kanzler Schröder antwortete: »Das ist notwendig, um vor dem Hintergrund einer veränderten Vermittlungssituation Arbeitsanreize zu geben.«
    Da war der Mann vom Bau so perplex, dass er vergaß, der regierenden Lallbacke eine aufs Maul zu hauen.
    Zusammengefasst besagten die Reformen des Jahres 2003 folgendes: Okay, der Pöbel kriegt ein bisschen Geld, aber ihr müsst es auch ausgeben, verdammt noch mal. Gib dir einen Ruck – geh auch mal wieder schlecht essen, damit das ewige Gejammer der Gastronomie endlich aufhört. Kauf dir mal wieder eine Jacke – auch, wenn du dann alle Knöpfe nachnähen musst. Hilf dem Mittelstand, vergib Aufträge – auch, wenn du dann einen ganzen Tag damit verplempern musst, um Reklamationen zu schreiben. Du musst keine Angst haben, gekündigt zu werden, es sei denn, du forderst Gehalt.
    Wie die Agenda 2010 der SPD bekommen ist, konnte man an den folgenden Wahlergebnissen ablesen. Es stellte sich heraus: Diese Agenda war ein Subventionsprogramm für Unternehmen. Der Umfang betrug fünfzig Milliarden Euro in fünf Jahren. Das war der Betrag, den die öffentliche Hand für die Aufstockung von Niedriglöhnen ausgegeben hatte, weil die Menschen von ihrem Einkommen sonst nicht hätten leben können. Mit anderen Worten: Für fünfzig Milliarden Euro, die die Unternehmen an Löhnen gespart hatten, waren die Steuer- und Beitragszahler aufgekommen.
    Dr. Peter Hartz, der der Regierungskommission, die einen effektiven Sozialabbau konzipieren sollte, seinen Namen gab, war Personalvorstand bei VW. Das Einkommen von Peter Hartz wurde auf jährlich anderthalb bis zwei Millionen Euro geschätzt. Dass Hartz IV Hartz IV hieß, war den mangelhaften Englischkenntnissen von Franz Müntefering zu verdanken – sonst hätte man Hartz IV den schönen Namen »Working-Class-People-Economy-Fitness-Program for All-Inclusive-Dreams« gegeben.
    Hartz IV funktionierte folgendermaßen: Ein Museumswächter, der seinen Arbeitsplatz verloren hatte, bekam sein Hartz IV und konnte in Zukunft vom Arbeitsamt für einen Euro pro Stunde in seinen alten Job zurückvermittelt werden.
    Es gab keine nennenswerten Proteste oder Demonstrationen gegen Hartz IV, geschweige denn einen Generalstreik. Wie schon oft in der Geschichte fiel die Bevölkerung sich selbst in den Rücken. Alle Umfragen belegten, dass die meisten Bürger mit den Sozialkürzungen einverstanden waren. Erwachsene Menschen glaubten, man könne einen Aufschwung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt mit immer mehr Abstrichen am eigenen Einkommen herbeidulden. Es

Weitere Kostenlose Bücher