Lallbacken
seinen Teller leeraß, noch niemals irgendetwas geleistet hatte, galt nicht nur als geselliger Kollege, sondern auch als echter Hochleistungsträger der Demokratie, weil man ahnte: Der kommt bei der allgemeinen Absahnerei nicht zu kurz. Er war ein »Marktwirtschaftler reinsten Wassers«, wie es ein langjähriger Mitstreiter ausdrückte. Lautstark verteufelte er staatliches Engagement in der Wirtschaft selbst in den größten Turbulenzen der Krise. Die Abwrackprämie hielt er für eine schlechte Idee. Genauso das finanzielle Engagement des Staates bei Opel. Er wollte unbedingt den Kündigungsschutz lockern, er war heftiger Gegner des Mindestlohns, und Subventionen sollten nach seinem Willen überall radikal gekürzt werden. Nur die Subventionen für den Weinbau in steilen Hanglagen in Rheinland-Pfalz steigerte er um satte 200 Prozent – dort saß er lange als Minister in der Wirtschaft.
Seinen Status als Lallbacke erwarb sich Brüderle, als er einen Satz absonderte, der von dumpfer Intellektuellenverachtung, piefiger Angeberei und blanker Arroganz zeugte: »Ratschläge von Professoren können das Nachdenken der Politiker nicht ersetzen, darum sind sie ja auch Berater und nicht Entscheider; die Entscheider werden gewählt.« So kann man es sehen, aber es wird wohl ewig ein Rätsel bleiben, was Wählerinnen und Wähler veranlasste, Brüderle und die Repräsentanten dieser mit Gier und Doofheit vollgestopften Partei zu wählen.
Wenn Lallbacke Brüderle Tacheles nuschelte, blieb vieles dankenswerterweise im Unverständlichen kleben. So weiß man bis heute nicht, was er meinte, als er irgendwas von einem »XL-Aufschwung« laberte. Trost schaffte die Erkenntnis: Jede Regierung braucht einen Buffo. Brüderles Stärke war es, stets direkt in den nächsten Müllschlucker zu formulieren. Als Wikileaks im Internet militärische Dokumente des US-Militärs veröffentlichte, da erinnerte ihn das an die Stasi. Daraus konnte man schließen: Für Brüderle war die übelste Eigenschaft des DDR- Staatssicherheitsdienstes die unglaubliche Transparenz.
Schließlich erlebte der Weltökonom Brüderle seinen GAU. Es wurde bekannt, dass er laut BDI-Protokoll gesagt hatte, »dass angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen Druck auf der Politik laste und die Entscheidungen daher nicht immer rational seien«. Das hatte man zwar schon vermutet, aber nun war es amtlich: Die Bundesregierung hatte das Atom-Moratorium nur aus wahltaktischen Gründen verhängt. Es wurde also Zeit, Lallbacke Brüderle vom Netz zu nehmen.
Aus dem Wirtschaftslenker Brüderle wird wohl nichts mehr. In Zukunft kann man ihn vermutlich für Kindergeburtstage engagieren – da springt er dann in einem lustigen Hampelmannkostüm aus einer Torte und hält eine launige Ansprache. Ohne Ansprache kostet der Auftritt mehr – nämlich fünfzig Euro Qualitätshumorzuschlagsgebühr.
Nachfolger von Lallbacke Brüderle war Dr. med. Philipp Rösler. Der trat an in dem Bewusstsein, was Brüderle konnte, kann jeder. Röslers Dissertation hatte den Titel: »Einfluss der prophylaktischen Sotalolapplikation auf die Inzidenz des postoperativen Vorhofflimmerns im Rahmen der aortokoronaren Bypassoperation«. Wie es dem Patienten erginge, wenn Rösler eine Bypassoperation an ihm durchführen würde, ob er den Eingriff wohl überlebte – man weiß es nicht. Rösler hatte seine Facharztausbildung abgebrochen. Und von Wirtschaftspolitik hatte er auch keine Ahnung. Rösler hat nie eine leitende Rolle in irgendeinem Unternehmen innegehabt, geschweige denn ein Unternehmen geleitet. Angesichts der in Deutschland beschäftigten Wirtschaftsminister mussten sich die Unternehmer eigentlich veralbert fühlen.
Wenn man sich auf etwas verlassen kann, dann sind es Ahnungslosigkeit, Hilflosigkeit und Arroganz deutscher Politiker und ihr nie nachlassender Ehrgeiz, sich der Lächerlichkeit preiszugeben: »Es geht um die Privatisierung, auch hier sind schon Mitarbeiter in Griechenland vor Ort aus Deutschland, so dass wir also hier auch schon ganz konkret werden helfen können.« Herr Rösler empfahl Griechenland also deutsche Experten, zum Beispiel solche, die schon bei der Privatisierung der deutschen Post erfolgreich waren.
Der Mehrheitsaktionär der Deutschen Post AG, die Bundesrepublik Deutschland, also die Allgemeinheit, optimierte ihre Dividende aus dem Post-Aktienpaket mittels Vernichtung von Arbeitsplätzen. Man kann also sagen, die Gewinne für die Vorstandsgehälter kommen nicht aus dem Markt,
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