Lallbacken
Wirtschaftsministerium, das als feines Ministerium mit feinen Beamten gilt, wusste Guttenbergs geschliffene Umgangsformen zu schätzen. Seine Erfahrungen in der Wirtschaft erfüllten niemanden mit Ehrfurcht, aber das machte nichts, denn als Qualifikation für dieses Bundesministerium reichte es vollkommen, jung und unverbraucht zu sein und als intelligent und lernfähig zu gelten.
Als Guttenberg dann die Sanierung von Opel in Angriff nahm, fragte er sich, wie viele andere Menschen auch, das Nächstliegende: Warum nur ging es den sympathischen Opel-Autobauern eigentlich so schlecht? Und er war der Letzte, der herausfand, dass es mehrere Gründe gab. Die wichtigsten waren: VW, Ford, Audi, Honda, BMW, Mercedes, Peugeot, Renault, Citroën, Seat, Skoda, Nissan, der Wartburg und die Fahrradindustrie.
Es dauerte ein bisschen, bis man merkte: Dieser Guttenberg war auch nur ein schlichter Textautomat, aus dem das Schmalz quoll, wenn man draufdrückte, besonders zur Weihnachtszeit: »Besonders schön empfinden meine Frau und ich, was Kinderaugen einem zu geben vermögen.«
Erst ein völlig ungebrochenes Verhältnis zu süßlichstem Kitsch qualifiziert einen durchschnittlichen Politiker nicht nur zum Wirtschafts-, sondern sogar zum Kriegsminister. Das wurde er dann auch. Und das freute auch die deutsche Rüstungsindustrie, weil Lallbacke Guttenberg sogleich auf einer Messe in Indien den Reklameonkel machte und die garantierte Wertarbeit deutscher Rüstungsgüter empfahl. Das war auch angebracht, denn deutsche Rüstungskonzerne wie EADS, Rheinmetall, Daimler und Krauss-Maffei Wegmann lassen von den Milliardengewinnen, die ihnen Waffenexporte in alle Welt einbringen, beachtliche Parteispenden an CDU, CSU, FDP und SPD springen. Es ist nicht anzunehmen, dass so eine Parteispende der einzige Grund ist für ein Rüstungsexportgeschäft – da gibt es auch noch Bündnisverpflichtungen und Arbeitsplatzsicherung und, nicht zu vergessen, den Nachschub an Rohstoffen. Aber eine großzügige Spende kann ein Geschäft sicher beflügeln, denn wer würde schon spenden, wenn es sich nicht rechnet.
Sogar Rudolf Scharping hatte begriffen, dass es noch schöner ist, am Krieg zu verdienen, als ihn zu gewinnen, und er nannte auch einen Grund für die Notwendigkeit einer deutschen Rüstungsindustrie: »Sonst wird Deutschland zum dummen Kunden, der die zweitbeste Ausrüstung kaufen muss, und das auch noch überteuert.« Das hieß: Die Nato-Freunde, die auch alle ihre Rüstungsindustrie hatten, wollten Deutschland mit schlechten Waffen zu überhöhten Preisen über den Tisch ziehen. Also lag auch immer schon ein Präventivschlag gegen die USA und Russland im Bereich des Möglichen.
Gegen wen Griechenland zu Felde ziehen wollte, das wusste man zwar noch nicht genau, aber es griff besonders gern auf Waffen made in Germany zurück, egal ob U-Boote oder Leopard-Kampfpanzer. Und Eurofighter wollte man auch bestellen. Die Deutschen waren, als »Exportweltmeister«, solchen Wünschen immer gern nachgekommen. Und so konnte man auch Außenminister Westerwelle bei einem skurrilen Spagat beobachten: Einerseits ermahnte er die griechischen Freunde, ihr Haushaltsdefizit auszugleichen, andererseits empfahl er ihnen den Kauf des deutschen Kampfjet. Eine Welt ohne militärisch-industriellen und sicherheitsindustriellen Komplex ist in der deutschen Ökonomie jedenfalls nicht vorgesehen.
Die deutsche Wirtschaft veröffentlicht keine Zahlen, die Aufschluss darüber liefern, wie viele afghanische, libysche, libanesische, palästinensische oder israelische Kinder und Zivilisten durch deutsche Waffen starben, um wie viele deutsche Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie zu erhalten.
Nach seinem Abgang aus dem Wirtschaftsministerium schaute Guttenberg staunend in einen Spiegel, war entzückt und sagte zu sich selbst: »Ich bin’s!« Dann entschwebte er ins Verteidigungsministerium.
Nachfolger von Lallbacke Guttenberg war Rainer Brüderle, je nach Betrachtungsweise der Weinkönig vom Liebfrauenberg oder das Leergut der Bundesrepublik Deutschland. Es gab nur wenige Themen, zu denen sich der Schluffiaus Mainz-Gonsenheim nicht äußerte. Oft unverständlich. Er polterte, küsste Winzerinnen und wirkte im Vergleich zu seinem Vorgänger altbacken, etwa wie ein Rentner, der sich beim Seniorengeburtstag zu einer zu langen Tischrede erhob und infolge massiver labialer Schwächen und einem Hang zum Nuscheln allgemeines Gähnen auslöste. Brüderle, der, außer dass er immer
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