Lamarchos
Hände, ein Rund von aus Golddraht gewobenen Blüten mit glitzernden Juwelenknospen; eine jede in einer anderen Farbe. Das Diadem.
Sie strich mit ihren Fingerspitzen über die Schönheit, rief ein Säuseln klarer, reiner Klänge hervor; jede Steinmitte sang ihren eigenen Ton.
Verzaubert setzte sie das zerbrechliche kleine Rund auf ihren Kopf, strich das zerzauste, rotgoldene Haar glatt, das von der Brise, die vom Fluß her strich, sanft bewegt wurde. Dann stürzte sie kopfüber ins Unbekannte. Das Diadem. Älter als die ältesten Erinnerungen. Eingesperrt von den R-Moahl, befreit durch den Dieb Miks Stavver, in den Händen der Nomadenhexe Khateyat zu Aleytys gebracht. Sie konnte es nicht mehr abnehmen, es löste sich nicht mehr, es schlug in ihrem Gehirn Wurzeln, und als sie versuchte, es von ihrem Kopf zu reißen, brannte es unerträglich - und dann schmolz es in sie hinein …
Schmolz … Irgendwie. Verschwand - und blieb doch existent. O
Gott, es blieb …
Und Tarnsian kam zwischen den Bäumen hervorgeritten - holte sie endlich ein. Er war ebensosehr Opfer seines quälenden Übels wie sie. Als er von seinem Pferd sprang, erklang das Diadem, und seine Füße wurden langsam, langsam … brauchten Ewigkeiten, bis sie den Boden berührten. Er warf sich auf sie, der Dolch ein bitterer Zahn in der vorgestreckten Faust, sein Mund schrie Obszönitäten, die so langsam heranwehten, daß sie vergingen, noch bevor sie sie erreichten.
Ihr Körper bewegte sich. Ohne daß sie es wollte, bewegte sich ihr Körper. Das Diadem sang ihr vor, süße, flüsternde Klänge, die tiefer wurden, tiefer… Sie sah zu. Gefangene in ihrem eigenen Schädel. Sah voll Entsetzen, wie ihre Hände hochkamen, sich zusammenballten und auf seinen Nacken herunterkrachten, als ihn sein schrecklicher, langsamer Sprung an ihr vorbeitaumeln ließ.
Hörte den scharfen, knackenden Laut… Wie ein Zweig, der bricht…
Sie riß sich los und floh in ihre Erinnerung. Floh an den gemächlichen, süßen Bildern der angenehmen Tage vorbei, in denen sie mit den Herden über das Große Grün zur Winterzuflucht in den westlichen Bergen zog; floh an der Freude vorbei, ihren neugeborenen Sohn in ihren Armen zu halten; floh in der Erinnerung weiter, bis sich wieder Entsetzen um sie legte.
Stavver ritt vor ihr in die tiefer werdende Schlucht hinunter, sein Reittier war, wie das ihre auch, ein schlankes, katzenartiges Sesmat.
Dort vorn … Erregung und Erwartung kamen in ihr auf. Dort vorn war das Schiff, ihre Chance, Jaydugar zu verlassen, ihre Chance, ihre Mutter zu finden, ihr erster Schritt auf der langen Reise zu der sagenumwobenen Welt Vrithian. Sie kraulte den gebogenen Hals der Stute, dann verlagerte sie ihr Gewicht im Sattel auf die andere Seite, um Wundheit und schmerzenden Muskeln Linderung zu verschaffen. Ein leises Murmeln veranlaßte sie, in die Babyschlinge zu greifen und ihren Sohn zu beruhigen.
Ein Speer zuckte so dicht an ihr vorbei, daß er ihr Kopftuch hinwegfetzte. Noch bevor er gegen die Schluchtwand prallte, hatte sie sich von der Stute fallen lassen, preßte ihr Baby an ihre Brust und hastete in den Schutz eines der großen Felsbrocken, die den Weg säumten.
Aleytys kuschelte sich in ihrem unbehaglichen Schlaf zusammen, zog die Knie gegen ihre Brüste, ihr Kopf rollte auf dem groben Tuch, das die dünne Matratze überspannte, hin und her. „Nein”, stöhnte sie.
„Nein …”
Sie trieben sie aus den Felsen heraus; sie grinsten, das Verlangen nach ihrem Tod ließ sie schwitzen. Sie trieben sie Myawo entgegen, ihrem Feind.
Und dann erklang das Diadem. Sie sah ihre Hände; sie hielten einen kurzschaftigen Speer und stießen ihn immer wieder vor und zurück; in die Brustkörbe der Männer und wieder heraus … und die Unglücklichen konnten noch nicht einmal wissen, daß sie tot waren, solange der Zeitzauber fortbestand. Sie sah, wie ihre Hände den Speer fallen ließen und sich den vor ihr stehenden Männern zuwandten. Sah ihre Hände einen Dolch aus widerstandslosen Fingern reißen und neue Münder in vier weitere Hälse schneiden.
Hörte das Diadem wieder erklingen. Hörte die toten Männer rings um sich fallen. Sie schrie. Eins, zwei, drei, vier … Schrie. Eins, zwei, drei, vier …
„Aleytys!” Kale beugte sich über sie, seine Hand ließ ihre Schulter los. „Du hast geträumt.”
Sie setzte sich auf, ihre Augen waren bleiern, der Kopf schmerzte unter der Marter der Alptraumerinnerungen. „Danke”, murmelte sie.
Die Luft
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