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Lamarchos

Lamarchos

Titel: Lamarchos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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schüttelte sich. „Ich hoffe, daß das nicht so ist.”
    „Hoffen.” Er zuckte mit den Schultern, gleichzeitig verzog sich sein Mund zu einem häßlichen Hohnlachen.
    „Ich glaube dir nicht.”
    „So? Ändert das etwas? Ich hänge an dir fest, Leyta. Bis du mich nicht mehr brauchst.”
    „Ich kann dir nicht glauben. Du beförderst nur Ausflüchte ans Licht.”
    Er wandte ihr die Schulter zu. „Warum sollte ich? Was hätte ich davon?”
    „Es geht nicht um mich. Ich bin es nicht wert… Ich bin nur manchmal eine erfreuliche Annehmlichkeit. Die Poaku. Und Maissa.
    Das ist es, nicht wahr?”
    „Du willst das glauben.” Er zuckte mit den Schultern und nahm sich vor, nichts mehr zu sagen, ganz gleich, wie hartnäckig sie auch bohrte.
    Die Straße schlängelte sich endlos durch die Wüste, trockene steinerne Einöde: Der Staub quälte sie. Schwebte um sie herum, als würden sie im Zentrum eines Strudels pulverisierten Gesteins reisen. Die Fliegen kamen zurück, vom Staubsturm getragen, landeten, ihre Füße kribbelten in einem rasend machenden Tanz auf ihrer schmutzigen, schweißüberzogenen Haut. Abwesend wischte sie sie automatisch von ihrem Gesicht und kauerte sich wieder erbärmlich in die Decke. Die Hitze, das monotone Knarren des Wohnwagens, das beständige Stampfen der Hufe, kombiniert mit der immer wiederkehrenden schlimmen Angst um ihr Baby, schwächten ihre Abwehrkräfte, bis sie von neuem in Lethargie versank, wo die Hoffnung ein ferner Begriff war, kalt wie die Wintersonne.
    „Leyta!” Schwach und von weit her kam Stavvers Stimme durch den Dunst.
    Sie schaute zu ihm hinüber, wischte weiter, wischte nach den Fliegen, die um ihre Augen und ihren Mund herumkrabbelten.
    „Was?”
    „Geh nach hinten. Schlaf ein bißchen.”
    „Ich kann nicht.”
    „Du wärst eben beinahe eingeschlafen.”
    „Nein!”
    „Aleytys!”
    „Ich wage es nicht. Ich werde träumen …”
    Er hielt die Pferde an, trat die Bremse herunter, um den Wohnwagen davon abzuhalten, den leichten Abhang hinunterzurollen. ]
    „Geh nach hinten. Wenn du zugedeckt bist, fahre ich weiter.”
    „Nein …”
    Über ihnen grollte Donner in spöttischem Gelächter aus einem wolkenlosen Himmel, wo sich die durch den wirbelnden Staub sichtbaren Farben in langsam wechselnden Klumpen verdrehten. Aleytys fröstelte.
    „Leyta.” Er hielt inne, um die Zügel um den Pflock zu wickeln; ununterbrochen behielt er die in Schichten liegenden Steinvorsprünge im Auge, die sich über den gefurchten Weg neigten. Er stand auf. „Lee, du siehst entsetzlich aus. Diese verdammten Fliegen. Ich sage dir, Frau, wenn du dich nicht bewegst, werde ich dich tragen.”
    „Ich wage es nicht, zu schlafen.”
    „Die Felskatzen halten sich auf Distanz. Ich wecke dich, wenn sie zu nahe kommen.”
    „Das ist es nicht.” Mit zitternden Fingern berührte sie ihr Gesicht.
    „Du hast recht. Ich muß abscheulich aussehen.”
    „Das nie, Liebes.”
    „Es sind die Alpträume, Miks. Ich habe Angst. Ich habe zu vielen Menschen weh getan. Die Gesichter der Toten … Zu viele Tote …
    Meinetwegen … Meinetwegen …”
    „Aleytys!” Er zog sie auf die Füße, die tief in sein Gesicht eingeschnittenen Linien waren zu einem Netz der Verärgerung verzogen.
    „Sentimentaler Unsinn. Heilerin, es wird Zeit, daß du dich selbst heilst. Was willst du? Dich selbst für eine eingebildete Schuld bestrafen?”
    Sie versuchte, sich aus seinem Griff loszureißen. „Hol dich der Teufel!”
    Er schlug sie ins Gesicht; es brannte schmerzhaft. „Hör auf damit, Lee.” Seine Stimme war kalt und fordernd, hämmerte auf sie ein.
    „Verdammtes masochistisches Baby. Deinetwegen? Was macht dich so verdammt egoistisch? So verdammt selbstsüchtig? Laß uns unser Menschsein. Wir sind keine Erfindungen deiner kranken Phantasie.
    Wir haben ein Recht darauf, Fehler zu machen, Entscheidungen zu treffen. Welches Recht hast du, uns dies wegzunehmen? Schuld?
    Pah!”
    Sie sank mit einem schwachen Schluchzen gegen ihn. Er hob sie hoch und schwang sie über die Lehne des Kutschsitzes. „Reiß dich zusammen, Aleytys. Gib mir eine Decke heraus. Dieser verdammte Sandsturm reißt mir die Haut vom Fleisch.”
    Im Innern des Wohnwagens nistete erstickende Hitze; die heiße Luft war verbraucht und leblos. Aleytys tastete sich zu einer Koje hin und lehnte sich dagegen. Ihr Körper schmerzte, ihr Verstand sank langsam durch plätschernde Wellen der Müdigkeit tiefer. Es wäre gut, sich hinlegen zu können…

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