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Lamento

Titel: Lamento Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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Samen, der aus dem Schnabel fällt
    Gibt mehr zurück, als der Vogel aß.«
    Ich starrte ihn an. Er blickte mich erwartungsvoll an, und ich war sicher, dass ich irgendetwas Kluges darauf erwidern sollte.
    Tom beugte sich vor und berührte meine Schulter. »Ein Leben für ein Leben«, flüsterte er. »Das ist ein Lied über das natürliche Gleichgewicht. Sie werden dir ein Leben schenken für das, welches du gerettet hast.«
    Oh.
    Oh.
    Vor meinem geistigen Auge drückte Eleanor eine schmutzige Seelentaube in Aodhans Brust, worauf er tot zu Boden fiel. Mit Lukes Gesicht. Doch so musste es nicht enden. Ich konnte um Lukes Leben bitten. Ich konnte seine Seele zurückholen und ihn retten. Dann wäre dies nicht das letzte Mal, dass ich seine Hand hielt. Meine Geschichte würde
tatsächlich
ein glückliches Ende nehmen.
    »Rette sein Leben«, flüsterte Luke, die Lippen an meinem Ohr. »Rasch. Ihm bleibt nicht mehr viel Zeit.«
    Schuldgefühle durchfuhren mich, und sofort stiegen mir Tränen in die Augen. Wie hatte ich James vergessen können, der sich dort hinten auf der Bühne mühsam ans Leben klammerte? Was war ich nur für ein Mensch? Natürlich musste ich James retten. Was gab es da zu überlegen? Ich wandte mich halb zu Luke um und schluckte gegen die Tränen an. »Aber dann – aber wenn – falls ich – falls du deine Seele zurückbekommst …«
    Luke küsste die Stelle dicht neben meinem Ohr, so flüchtig und zart, als wollten seine Lippen mir etwas zuflüstern. »Ich weiß. Ich weiß, hübsches Mädchen. Das weiß ich schon die ganze Zeit.«
    Ich wollte ihn so sehr, dass es weh tat – ein dumpfer Schmerz irgendwo tief unter meinen Rippen. »Rettet Luke«, hätte ich am liebsten gesagt. Es wäre so einfach gewesen.
    Aber auch so falsch.
    Ich starrte zu Boden, betrachtete jeden kleinen, gezackten Riss im Asphalt. Wenn man lange genug hinstarrte, konnte man kleine Splitter irgendeines glänzenden Gesteins darin erkennen. Zwei schillernde Tropfen fielen auf den Asphalt. Ich blickte zu Brendan auf und fuhr mir mit der Hand über die Wange.
    »Ich danke dir für euer Geschenk. Ihr seid sehr gütig. Bitte, würdest du meinen Freund James retten? Wenn es geht?« Ich erstickte beinahe an den letzten Worten, brachte aber alles her aus, ehe mir eine weitere Träne entwischte.
    »Braves Mädchen«, murmelte Luke.
    »Wo ist er?«, fragte Brendan.
    Una wirbelte an uns vorbei. »Ich weiß es. Ich kann ihn dort drin sterben hören.«
    Brendan stieg ab und folgte ihr durch die offene Tür, wobei er um mich und meinen eisernen Schlüssel einen großen Bogen machte, sogar an Mittsommer. »So soll es geschehen«, sagte er über die Schulter hinweg.
    Ich brach in Tränen aus. Es kümmerte mich nicht, wer mich dabei sah – die Königin, Eleanor, alle Feen dieser Welt, wer auch immer. Es war mir egal. Luke schlang die Arme um mich, und ich barg das Gesicht an seiner Schulter. Ich spürte, wie er die Königin anstarrte, ehe er mein Haar küsste.
    »Lass sie los.« Die Stimme der Königin klang steinhart.
    Lukes Arme schlossen sich noch fester um mich, und ich hob den Kopf und sah sie an. Wieder flammte die untergehende Sonne in ihren Augen auf.
Bitte lass mich nicht los.
Er hielt mich fest.
    »Lass sie los.«
    Eleanors Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, als sie die Wut in der Stimme der Königin hörte.
    »Das tue ich, wenn sie mich darum bittet«, sagte Luke. »Ich habe Euch gesagt, dass ich es satthabe, Euren Befehlen zu gehorchen. Wenn ich dafür sterben muss, sei’s drum.«
    Falls er Angst hatte, fühlte ich sie jedenfalls nicht. Die Königin wirbelte herum und riss das Tuch von dem Käfig zu Eleanors Füßen. Ein Vogelkäfig mit Gitterstäben wie dünner Draht umschloss eine Taube, die so weiß war, dass sie mich blendete.Sie flatterte ängstlich mit den Flügeln, schlug gegen das Gitter und taumelte zu Boden. Luke seufzte, den Blick auf den Vogel geheftet. Zwar spürte ich, wie sich sein Körper an mich presste, aber der Rest von ihm war anderswo.
    »Widerlich, nicht?«, bemerkte die Königin. »Mir erscheint es nur passend, dass das Wesen eines Mörders sich als schmutzige, gewöhnliche Taube manifestiert.«
    »Soll das ein Witz sein?«, platzte ich heraus. »Das ist das Schönste, was ich je gesehen habe.« Ich starrte die leuchtende Gestalt in dem Käfig an. Sie strahlte das Versprechen aus, was wir Menschen sein könnten, ehe wir begannen, uns selbst zu verzerren. Es fühlte sich wie ein Anfang an.
    Die Königin

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