LaNague 01 - Der Heiler
hinunter und horchte. Ein gedämpfter Gesang schien den Raum zu erfüllen. Zu seiner Linken stand eine schmale Tür offen, und der Gesang wurde lauter, als Dalt sich ihr näherte.
Hier ist es … sie müssen durch diese Tür gegangen sein.
Ein in den Felsen gehauener Gang führte nach unten, und Dalt folgte ihm. In weitem Abstand voneinander aufgestellte Fackeln warfen ihr flackerndes Licht gegen die Wände, und mit jedem Schritt nach vorn wurde der Gesang lauter.
Kannst du verstehen, was sie sagen?
(»Irgend etwas über die heiligen Gegenstände, von denen eine Hälfte den einen Tag über in der Sonne stehen muß, die andere Hälfte den nächsten Tag … ein ständiger Kreislauf.«)
Der Gesang hörte plötzlich auf.
(»Es scheint, daß die Litanei vorbei ist. Wir gehen besser zurück.«)
Nein, wir verstecken uns hier. Das Gehirn ist ohne Zweifel da drinnen, und ich möchte so schnell wie möglich in die Zivilisation zurück.
Dalt kauerte sich in eine dunkle Spalte in der Wand und beobachtete die vorbeiziehende Prozession, an der Spitze der Herzog, der irgendwelche mit einem Tuch bedeckte Gegenstände vor sich her trug, ihm folgte verdrossen sein Sohn Anthon. Die Hofberater nahmen hinter der Prozession die Fackeln wieder von den Wänden, aber Dalt sah, daß am unerforschten Ende des Ganges noch immer Licht schien. Nachdem die anderen vorüber waren, schlich er sich an der Wand entlang darauf zu.
Er war völlig unvorbereitet auf den Anblick, der sich ihm bot, als er die Grotte betrat, in die der Gang mündete.
Es kam ihm irgendwie unwirklich vor. Das unterirdische Gewölbe war ausgelegt mit Wrackteilen des verschollenen Frachtschiffes. Große, verbogene Metallstücke waren gegen die Wände gestellt; kleinere Teile hingen von der Decke herab. Und in der Mitte, im Vordergrund, fast nicht zu unterscheiden vom übrigen Gerümpel, befand sich das silbrig schimmernde Lebenserhaltungssystem des Gehirns, so hoch wie ein Mann und zweimal so breit.
Und darauf – das Gehirn, ein Ball aus Nervengewebe, der in einer mit einer Nährflüssigkeit gefüllten Kristallkugel schwamm.
(»Du kannst ihn nicht hören, oder?«) fragte Part.
»Ihn? Wen ihn?«
(»Dem Gehirn – es bezeichnet sich selbst als er – ist es gelungen, sich den Einheimischen mitzuteilen. In dieser Hinsicht hattest du recht.«)
»Wovon sprichst du?«
(»Es ist telepathisch, Steve, und meine Anwesenheit in deinem Gehirn scheint deine Empfangsfähigkeit blockiert zu haben. Ich habe schon vorhin im Gang einige Impulse wahrgenommen, aber ich war mir nicht sicher, bis es uns begrüßte.«)
»Was sagt es?«
(»Was schon: Es will wissen, wer wir sind und was wir wollen.«) Part blieb einen Moment still. (»Oje! Ich habe ihm gerade mitgeteilt, daß wir gekommen sind, um es SW zurückzubringen, und daraufhin hat es einen telepathischen Notruf ausgesendet – und zwar einen ziemlich lauten. Sei nicht überrascht, wenn wir gleich Gesellschaft bekommen.«)
»Großartig! Und was fangen wir jetzt an?« Dalt tastete nach dem Dolch in seinem Gürtel, als er über seine Lage nachdachte. Es war schon zu spät, um wegzulaufen, und er wollte sich auch nicht seinen Weg freischießen müssen. Sein Blick ruhte auf der Kugel.
»Du kannst mich korrigieren, wenn ich mich irre, aber ich meine mich erinnern zu können, daß die Kugel abnehmbar ist.«
(»Ja, das Gehirn kann für ungefähr zwei Stunden von seinem Lebenserhaltungssystem getrennt werden, ohne daß es einen ernsthaften Schaden davonträgt.«)
»Die Zeit dürfte ausreichen, um es zum Mutterschiff zu bringen und an eine andere Anlage anzuschließen.«
(»Er hat ziemlich große Angst, Steve«), erklärte Part, als Dalt damit begann, die Kugel loszulösen. (»Ich habe jetzt übrigens auch verstanden, was die Litanei besagt, die wir gerade gehört haben: Die heiligen Gegenstände, die Tag für Tag in die Sonne gestellt werden, sind Solarbatterien. Die Hälfte von ihnen wird für einen Tag aufgeladen, die andere den nächsten. So hält er sich funktionsfähig.«)
Dalt hatte gerade die Auswechselöffnungen der Kugel verstöpselt, als der Herzog und sein Gefolge in heller Aufregung heranstürmten.
»Racso!« rief der Herzog beim Anblick seines ehemaligen Söldners. »So hast du uns also doch verraten!«
»Es tut mir leid«, entgegnete Dalt, »aber dies gehört jemand anderem.«
Anthon stürzte nach vorn. »Schäbiger Verräter! Und dich habe ich für meinen Freund gehalten!«
Als die Hand des Jungen nach dem
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