Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond
als tobte dort unten ein Sturm.«
»Die hohlen Felswände verstärken nur dutzendfach das Rauschen des Gewässers, das zwischen ihnen fließt«, erklärte der Druide. »Keine andere Mauer umgibt den Drachenhort als die der eigenen Angst. Überwinde sie, mein Junge, dann kannst du Fyrnacks Höhle ungehindert betreten.«
Erwyn nickte, dann traten sie durch den Riss in der Felswand und in das ungewisse Dunkel dahinter. Das obere Ende von Yvolars Stab leuchtete jedoch auf einmal auf und vertrieb die Finsternis.
Was Erwyn sah, überraschte ihn. Es war nicht eigentlich eine Höhle, in der sie sich befanden, sondern vielmehr eine schräg verlaufende Kluft, die der Fluss in den Fels geschnitten hatte. Zu seiner eigenen Überraschung stellte der Junge fest, dass Yvolar recht gehabt hatte: Das größte Hindernis schien überwunden, hatte man die Kluft erst betreten.
Schon wollte er mit weit ausholenden Schritten weiter in den Felsspalt vordringen, doch Yvolar packte ihn an der Schulter und schob ihn hinter sich. »Schön vorsichtig, mein junger Freund«, raunte ihm der Druide zu.
Erwyn nickte. Nur zu bereitwillig blieb er hinter dem Druiden, um nur hin und wieder einen Blick an dessen hagere Gestalt vorbeizuwerfen, während beide vorwärts schritten. Im Licht des leuchtenden Eschenstabs gewahrte er schließlich einen Schacht, dort, wo der Felsspalt endete. Doch der Schacht führte tiefer in den Fels und war mitunter so niedrig, dass Yvolar sich bücken musste, um sich nicht den Kopf zu stoßen.
Plötzlich hielt er an, so abrupt, dass Erwyn gegen seinen Rücken prallte. Yvolar konnte sich im letzten Moment auf seinen Stab abstützen, sonst wäre er in die Tiefe gestürzt, denn vor seinen Füßen brach der steinerne Boden ab.
»Nicht so hastig, junger Freund«, mahnte er halb amüsiert, halb ernst.
Vor ihnen fiel der Fels steil in die Tiefe. Als sich Erwyn auf alle viere hockte und über die Kante beugte, konnte er im Lichtschein des Druidenstabs sehen, dass schmale Tritte in die Felswand geschlagen waren, die wohl als Kletterhilfe dienten. Der Schacht selbst verlor sich in unergründlicher Tiefe; der Grund war nicht auszumachen. Erwyn verschwendete keinen Gedanken daran, wer die Tritte in den Fels gehauen hatte, sondern fragte: »Wir müssen dort hinunterklettern?«
»So ist es«, bestätigte Yvolar.
Der Junge schaute den Druiden an. »Wie wollt Ihr das machen mit nur einer Hand? Oder wollt Ihr Euren Stab hier oben lassen.«
Yvolar schüttelte den Kopf. »Nein.«
Dann hob er den rechten Arm, hielt den Druidenstab senkrecht über den Abgrund – und ließ ihn fallen!
Erwyn erschrak!
Doch der Druidenstab fiel nicht, sondern schwebte in der Luft und verhielt neben der Felswand. »Er wird uns leuchten«, erklärte Yvolar.
Dann beugte er sich nieder, rutschte über die Felskante und begann mit dem gefährlichen Abstieg.
Der leuchtende Eschenstab schwebte neben ihm und spendete ausreichend Licht, sodass er die Tritte sehen konnte, in die er die Füße setzen und sich mit den Händen festhalten musste.
Erwyn zögerte. Da blickte Yvolar zu ihm hoch und forderte: »Komm, Dochandar. Folge mir dichtauf, dann leuchtet auch dir der Zauberstab.«
Erwyn tat, wie ihm geheißen, und kletterte dem Druiden hinterher. Während sie die Felswand hinunterstiegen, schwebte der leuchtende Eschenstab stets eine Armlänge von Yvolar entfernt und gab ihnen genügend Licht.
Je tiefer sie kamen, desto kälter wurde es und desto mehr nahm das Rauschen zu. Endlich endete der Abstieg, und als der Druide unten ankam, pflückte er sich seinen Eschenstab einfach aus der Luft. Der leuchtete weiterhin, wirkte aber ansonsten wieder ganz normal.
Die beiden befanden sich nun in der eigentlichen Höhle, die nicht etwa waagrecht, sondern sehr steil nach unten durch den Felsen verlief. In die Höhlenwand waren schmale Stufen geschlagen, und vorsichtig, Schritt für Schritt, stiegen der Druide und sein Schützling weiter hinab.
»Ehrwürdiger Druide?«, fragte Erwyn und erschrak über den Widerhall seiner eigenen Stimme.
»Ja, Dochandar?«
»Darf ich Euch etwas fragen?«
»Natürlich, Sohn. Aber sprich leise – es kann gefährlich sein, einen Drachen aus dem Schlaf zu reißen.«
»Ich dachte, Fyrnack kennt Euch?«
»Ich kenne ihn«, verbesserte der Druide. »Ob es sich umgekehrt ebenso verhält, wird sich zeigen. Drachen haben kein besonders gutes Gedächtnis, weißt du?«
»Und woher kennt Ihr ihn?«
Im Licht des Druidenstabs warf Yvolar dem
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