Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond
Sterblichen vorgezogen.«
»Aus gutem Grund. Viel war geschehen, und ich brauchte die Einsamkeit, um zu trauern und meine Wunden zu lecken.«
»Und?«, fragte der Druide. »Sind sie verheilt?«
»Nicht alle«, kam die Antwort aus der dunklen Tiefe.
»Ich bedaure, dies zu hören«, versicherte Yvolar. »Wir alle haben im Krieg gegen Muortis Wunden davongetragen, die wohl nie ganz verheilen. Aber die Zeit in der Welt der Sterblichen steht deshalb nicht still, und auch das Böse ruht nicht. Es hat sich erneut erhoben, wie du sicher weißt…«
Fyrnack schien mit der Antwort zu zögern. Kein Wort drang aus dem Höhlenkessel, nur das gespenstische Rumoren war weiterhin zu hören. Erwyn sandte Yvolar einen nervösen Blick, doch der Druide schien es nicht zu bemerken.
»Ich weiß es«, kam endlich die Antwort. »Obwohl ich schlief, habe ich eine Erschütterung gespürt. Das Gefüge der Welt ist aus dem Gleichgewicht geraten…«
»In der Tat«, bestätigte Yvolar. »Der Gegner, den zu bekämpfen uns so große Opfer abverlangte und den wir geschlagen und besiegt wähnten, ist zurückgekehrt. Muortis ist wieder da, Fyrnack, und wie einst will er die Welt erobern.«
»Und wenn, Druide!«, drang es müde und resignierend zurück. »Es kümmert mich nicht mehr.«
»Was soll das heißen?«
»Du hast mich verstanden. Jetzt verlass meine Höhle und geh. Und nimm deinen Begleiter mit, wer immer er ist.«
»Das kann nicht dein Ernst sein!«, rief Yvolar entschieden. »Soll alles vergebens gewesen sein? Alles, wofür wir gekämpft haben und so viele Opfer auf uns nahmen? Alles, wofür so viele deines Volkes ihr Leben gaben am Korin Nifol?«
»Es war vergebens, schon damals. Denn die Sterblichen, deretwegen wir all dies auf uns nahmen, verdienten unsere Hilfe nicht. Statt unserer Opfer ewig zu gedenken, haben sie uns vergessen. Sie haben ihre Vergangenheit, ihre Mythen, ihre eigenen Wurzeln verraten – wen will es da wundern, dass eisige Kälte sie erdrückt? In all der Zeit, die ich allein verbrachte, habe ich lange darüber nachgedacht, wie Muortis dies bewirken konnte. Und irgendwann, nach Hunderten von Jahren, kam ich auf die Antwort.«
»Dann sag sie mir!«, verlangte Yvolar.
»Muortis hat die Kälte nicht in die Welt der Menschen getragen, Druide«, drang es aus der dunklen Tiefe des Höhlenkessels, »er hat sich nur dessen bedient, was schon immer da gewesen ist. Die Welt selbst ist es, die sich vernichtet.«
»Nicht alles in der Welt ist gut«, räumte Yvolar ein, »sie birgt Licht und Finsternis, Tag und Nacht. Aber die Sterblichen sind nicht zum Untergang verdammt, Fyrnack. Es steht ihnen frei, sich zu entscheiden, nur bedarf es unserer Hilfe, sie zum Guten hinzuführen.«
»Dann sei ihnen ein Führer, wenn du willst – ich habe sie aufgegeben, schon vor langer Zeit.«
»Es ist nicht nur ihre Welt, die Muortis bedroht«, entgegnete der Druide, »sondern auch unsere. Wenn der Herr des Eises triumphiert, wird ihm auch die Anderswelt anheimfallen – ihm und dem Eisdrachen, der in seinen Diensten steht.«
»Ein Eisdrache?« Zum ersten Mal verriet Fyrnacks Stimme Unruhe. Feuer loderte in der Tiefe des Kessels auf, und eine Rauchwolke stieg empor. Unwillkürlich wich Erwyn zurück.
»Ein Eisdrache«, bekräftigte Yvolar. »Sein Atem verpestet das Grundmeer und lässt alles Leben erstarren.«
»So hat also zumindest einer der Verräter die Schlacht überlebt«, grollte es empor, begleitet von Feuer und Rauch.
»Allerdings. Du hattest recht, als du sagtest, die Welt wäre aus den Fugen geraten, Fyrnack. Nur dein Feuer kann Muortis Einhalt gebieten und das Gleichgewicht wiederherstellen.«
»Und Kaelor?«, drang es herauf.
»Ich weiß es nicht«, gestand der Druide offen. »Dein alter Erzfeind mag am Leben sein oder schon tot. Es spielt keine Rolle. Ich weiß nur, dass die Welt deine Hilfe braucht.«
»Meine Hilfe…«, echote es aus der Tiefe. Noch einmal loderten Flammen auf, die dem jungen Erwyn, der dem Wortwechsel voller Ehrfurcht lauschte, wie ein Leuchtfeuer der Hoffnung erschienen. Würde der Drache seine Lethargie überwinden und aus der Höhle emporsteigen, in die er sich einst geflüchtet hatte?
Aber schon im nächsten Moment erloschen die Flammen – und mit ihnen die Hoffnung des jungen Erwyn. Die Höhle fiel in Dunkelheit zurück, und nur noch der Stab des Druiden verbreitete spärlichen Schein.
»Nein«, drang es resignierend herauf, »selbst wenn ich es wollte, ich könnte dir nicht helfen,
Weitere Kostenlose Bücher