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Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Titel: Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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anzugreifen.
    Calma war alt. Fast siebzig Winter hatte sie gesehen und fühlte sich der Aufgabe kaum gewachsen. Dennoch – ihr Leben lang hatte sie der Familie des Fürstregenten gedient, zuerst Karrol und dessen Frau, später dann der Tochter. Nun aber musste sie sich dem amtierenden Fürstregenten entgegenstellen. Nicht nur Rionna wegen, sondern auch aus Liebe zu Iónador, wo sie aufgewachsen war…
    Stimmengewirr drang die Treppe herauf und zeugte von der Betriebsamkeit, die in der Eingangshalle herrschte. Fast hatte Calma es geschafft. Sie wollte aufatmen – als sie plötzlich eine geradezu unnatürliche Kälte spürte, einen eisigen Luftzug im Nacken, so frostig, dass ihre alten Knochen davon schmerzten.
    »Wohin, Verräterin?«, sagte eine Stimme, die von Bosheit durchdrungen war.
    Die Zofe stieß einen erstickten Schrei aus. Erschrocken wandte sie sich um – und starrte in eine blaue, von dunklen Adern durchzogene Fratze, auf deren Stirn sich ein gefährlich aussehendes Horn erhob. Ein einzelnes blutunterlaufenes Auge starrte die Zofe hasserfüllt an und ließ keinen Zweifel daran, dass ihr nächster Atemzug auch ihr letzter sein würde…

 
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    An einer Felswand vorbei, die sich stolz und unbezwingbar zu ihrer Linken erhob, erreichten die Gefährten einen steil ansteigenden Taleinschnitt, der von hohen Tannen gesäumt wurde. Nur spärlich sickerte Licht durch die mit Schnee beladenen Äste der Tannen, und auch der wabernde Nebel sorgte dafür, dass nicht zu erkennen war, wohin der Einschnitt führte. Dafür aber war immer wieder ein tiefes Gurgeln zu hören, begleitet von Rauschen und Brausen.
    »Wa-was ist das?«, fragte Leffel Gilg beunruhigt.
    »Das, meine Freunde«, erklärte Yvolar der Druide feierlich, während er seinen Rucksack von den schmalen Schultern gleiten ließ und ihn ablegte, »ist der Klang des Sturmlochs.«
    »Wohl wahr«, stimmte der finstere Walkar zu, der sie zu diesem Ort geführt hatte. »Von hier aus ist es nicht mehr weit bis zum Hort des Drachen.«
    »Es gibt ihn also wirklich«, murmelte Leffel voller Ehrfurcht und lauschte den unheimlichen Lauten.
    »Natürlich gibt es ihn«, sagte der Druide. »Was du allerdings hörst, ist nicht etwa der Atem des Drachen, auch wenn manch abergläubischer Gesell es dafür halten mag. Es ist der Klang des Wildflusses, der in der Tiefe des Felsens verläuft. Aber Fyrnack ist dennoch dort unten, und vermutlich hat er unsere Anwesenheit bereits bemerkt.«
    »Wie das?«, erkundigte sich Alphart nicht ohne Spott. »Hat er auch einen Zauberspiegel, in den er blicken kann?«
    »Das wohl nicht, Wildfänger – soweit ich weiß, existiert nur einer davon, und der befindet sich tief unter der Festung des König Alwys. Aber Drachen sind uralte Geschöpfe; es gab sie schon lange vor den Menschen. Und man wird nicht von ungefähr so alt, erst recht nicht dann, wenn man unvorsichtig ist. Sie fühlen es, wenn sich sterbliche Wesen nähern.«
    »Fühlen sie auch, ob man ihnen freundlich oder feindlich gesonnen ist?«, erkundigte sich Erwyn leise.
    »Wohl kaum«, versetzte Alphart trocken. »Sonst würde unser guter Druide nicht so leise sprechen.«
    Yvolar strafte ihn mit einem zornigen Blick, doch das war dem Wildfänger gleich. Ihn beschäftigten ganz andere Dinge. Einen Drachen, also ein übernatürliches Wesen, um Hilfe bitten zu müssen, gefiel ihm ganz und gar nicht. Denn vorausgesetzt, es stimmte, was man sich über die Feurigen erzählte, so waren sie gewiss keine angenehme Gesellschaft, stanken nach Schwefel und Blut und fraßen mitunter auch Menschen. Im Kampf gegen die Erle jedoch galt es, das kleinere Übel zu wählen, und wenn die Unholde dadurch bestraft und sein Bruder gerächt würde, so war Alphart einmal mehr bereit, die Sache hinzunehmen und sich zu fügen – und sich notfalls auch mit einem Drachen zu verbünden…
    »Ihr bleibt alle hier«, gebot Yvolar seinen Gefährten mit fester Stimme. »Nur Erwyn und ich werden die Drachenhöhle betreten.«
    »Seid ihr sicher?«, fragte Alphart. »Was, wenn das Viech euch angreift?«
    »Ich werde mit euch gehen«, bot Walkar an und trat vor.
    »Dann komme ich auch mit«, entschied Alphart prompt. Dass der Bärengänger den Druiden und Erwyn allein begleiten würde, missfiel ihm, denn er traute Walkar noch immer nicht über den Weg. Außerdem war da noch etwas anderes, ein Gefühl, das der Wildfänger sich nicht gerne eingestand.
    Er verspürte Eifersucht.
    »Ich danke euch beiden«,

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