Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)
Rose betrachtete.
»Das Aussehen kann trügen«, brummte Kaldar.
Declan und Rose warteten. Hinter ihnen stand mit bekümmerter Miene der Hauslehrer Lorimor.
Georges Beine fühlten sich an wie Blei. Er und Jack erklommen Schritt für Schritt die Treppe. Doch dann gab es keine weiteren Stufen mehr.
George hob den Kopf und sah Declan an. »Mylord.«
Declan starrte Jack an. »Als ich sagte, dass du zusätzlicher Aufsicht bedarfst, meinte ich damit, dass ich einen Leibdiener für dich einstellen wollte.«
Jack blinzelte.
»Lies es mir von den Lippen ab.« Declan wies auf seinen Mund. »Wir werden dich niemals auf die Hawk’s schicken. Du musst nicht von zu Hause weglaufen, um das zu verhindern. Allerdings wirst du dir in nächster Zeit wünschen, wir hätten dich doch auf die Hawk’s geschickt.«
»Du hast Hausarrest, bis du vergessen hast, welche Farbe der Himmel hat«, sagte Rose.
»Wir übergeben dich Lorimar«, fuhr Declan fort. »Du wirst die Wäsche machen. Und Kartoffeln schälen. Außerdem muss der Pool neu gefliest werden.«
Irgendwo aus Georges Innerstem stieg glucksend Gelächter auf. Er wollte es zurückhalten, aber genauso gut hätte er versuchen können, eine Flutwelle aufzuhalten. Schnaubend und mit ersticktem Kichern brach es sich Bahn.
»Als hätte ich euch verhauen«, grollte Declan. »Als hätte ich euch im Kerker angekettet, rennt ihr einfach weg! Auf und davon mit dem Flugdrachen eines Spiegel-Agenten! Was zum Teufel stimmt nicht mit euch beiden?«
»Es tut uns so leid, Master Mar«, sagte Rose. »Wir hoffen, die beiden haben Euch nicht zu viele Umstände gemacht.«
»Ganz und gar nicht«, gab Kaldar mit ausdrucksloser Miene zurück.
»Und was ist das da?«, wollte Rose wissen, als sie das Kätzchen in Jacks Armen entdeckte.
»Mein Kater. Ich habe ihn gerettet.« Jack wappnete sich wie für einen Streit.
Du lieber Gott , betete George stumm. Bitte, kein Gezänk. Bitte, kein Gezänk !
»Wenn du den im Haus halten willst, sorgst du auch dafür, dass sein Fell von den Sitzmöbeln gebürstet wird«, sagte Rose.
Jack sah sie an, stolperte zu ihr, und Rose schloss ihn in die Arme.
»Wir lieben dich doch«, teilte sie ihm mit. »Ich liebe dich. Es wird alles wieder gut, Jack. Wir kriegen das schon hin.«
»Wir reden später weiter«, sagte Declan. Seine Stimme klang nicht mehr so ungehalten. »Im Arbeitszimmer wartet Nancy Virai. Sie hat mit euch allen ein Wörtchen zu reden.«
Sie gingen hinein und ließen sich auf den Stühlen vor dem Arbeitszimmer nieder. Kaldar und Audrey betraten zuerst den Raum.
Rose setzte sich neben George und umarmte abwechselnd ihn und Jack. »Ich liebe euch.«
»Ich liebe dich auch«, hörte George sich sagen. Jack schniefte.
Seine Schwester sah ihn an. »Aber ich will mir wegen euch keine grauen Haare mehr wachsen lassen. Gönnt mir mal ein paar Wochen Ruhe. Mir zuliebe.«
»Die Diffusoren.« Kaldar hob eine Kiste aus Korbgeflecht auf den schweren Mahagonitisch.
Nancy Virai öffnete sie, prüfte die beiden in ein weißes Tuch eingeschlagenen Diffusoren und sah sie über den Schreibtisch hinweg an. Kaldar musterte ihr Gesicht. Sobald sie die Grenze nach Adrianglia überquert hatten, hatte er dem Büro des Spiegels einen Vorbericht, eine Skizze der Ereignisse zukommen lassen und darin nichts unterschlagen. Aus Erfahrung wusste er, dass man Lady Virai gegenüber am besten bei der Wahrheit blieb.
Ihre Miene blieb undurchdringlich, ihr Blick schweifte zu Audrey.
»Meine Verlobte«, stellte Kaldar sie vor. »Audrey Callahan. Ein Opfer der Umstände …«
»Kaldar«, begann Lady Virai. »Halten Sie die Klappe!«
Er gehorchte.
Die beiden Frauen sahen einander an.
»Sie wurden in Geheimnisse des Spiegels eingeweiht«, sagte Lady Virai. »Daher wissen Sie, dass es kein Zurück gibt.«
»Ich weiß«, nickte Audrey.
»Sie werden für mich arbeiten. In den ersten sechs Monaten auf Probe, wenn Sie’s nicht vermasseln, werden Sie anschließend zur vollgültigen Agentin befördert.«
Kaldar atmete leise aus.
»Und wenn ich Nein sage?«
»Das war keine Bitte«, sagte Lady Virai. »Sie werden feststellen, dass ich ein Nein nicht akzeptieren kann.«
»Bekommen wir zwei Flitterwochen?«, fragte Kaldar.
»Ja. Wenn man bedenkt, dass sie ihr Leben gegen sieben Hunde aufs Spiel gesetzt hat, um Sie zu befreien – den Grund kann ich mir allerdings nicht denken –, würde ich zwei Wochen Ferien für annehmbar halten. Und Kaldar, versuchen Sie Ihre Arbeit beim
Weitere Kostenlose Bücher