Land der Sehnsucht (German Edition)
Christophe, und jetzt schon gar nicht. Aber wenn …“ Die Kutsche fuhr ruckelnd wieder an und kehrte zu ihrer ursprünglichen Geschwindigkeit zurück. „Aber wenn die Familie nach Brüssel gehen muss, werde ich Madame Marchand gern dorthin begleiten. Ich bin sicher, dass wir nicht lang dort bleiben werden, und dass diese … Situation, die unser Land in Gefahr bringt, schnell vorübergehen wird.“
Er nickte.
Aber der Blick, mit dem er sie bedachte, ließ sie sich wie ein naives Schulmädchen vorkommen. „So einfach ist es nicht, Véronique. Aus vielen Gründen.“
Die Linien auf seiner Stirn vertieften sich, und sie wollte versuchen, seine Sorgen zu vertreiben. „Ich komme damit zurecht. Die Fahrt nach Brüssel könnte mir sogar guttun. Und wenn wir zurückkommen, wird alles …“
„Madame Marchand hat ihren Sohn davon in Kenntnis gesetzt, dass sie nicht plant, von dir begleitet zu werden.“
Seine Stimme klang flach und endgültig. Véronique fühlte sich, als hätte jemand ihr Korsett plötzlich um zwei Größen enger geschnürt. Sie versuchte einzuatmen. „Aber ich … ich verstehe das nicht.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin … ihre Gesellschafterin.“
Christophes Augen zogen sich zusammen. „Ich wurde auch davon in Kenntnis gesetzt, dass … Madame Marchand bereits Vorkehrungen getroffen hat, von einer neuen Gesellschafterin nach Brüssel begleitet zu werden.“
Véronique bewegte die Lippen, aber kein Wort wollte aus ihrem Mund kommen.
Die Kutsche bog in die Kopfsteinpflasterstraße ein, die zum Anwesen der Marchands führte.
Die Erkenntnis, dass sie jetzt eine niedrigere Stellung einnehmen würde, wie auch immer diese Stellung aussah, löste eine Flut von Gefühlen in ihr aus. Véronique schluckte die Wut und die Tränen mühsam hinunter und bemühte sich, das Positive an dieser Situation zu sehen, wie ihre Mutter es ihr sicher nahegelegt hätte. „Darf ich daraus schließen, dass das übrige Personal hier bleibt und das Haus bis zur Rückkehr der Marchands hütet?“
Er gab ihr keine Antwort. Seine Lippen bildeten eine schmale Linie.
„Christophe“, flüsterte sie und wurde mit jeder Sekunde unruhiger. „Wir waren immer ehrlich zueinander. Sag mir, wie meine neue Stellung aussieht.“
Er starrte auf den Kutschenboden und atmete laut hörbar aus. „Nach dieser Woche wirst du … nicht mehr bei den Marchands beschäftigt sein. Er hat dir eine Stellung in der Familie von Monsieur Descantes verschafft. Die Familie Descantes verlässt Paris umgehend in Richtung England.“
* * *
Als sie noch zur selben Stunde in Monsieur Marchands Privatbüro gerufen wurde, nahm Véronique ihren noch verbliebenen Mut zusammen und zwang das panische Rasen ihres Herzens, langsamer zu werden. Die nüchterne und strenge Atmosphäre von Monsieur Marchands Büro hatte schon immer eine einschüchternde Wirkung auf sie gehabt. Als jetzt die überdimensionale Tür hinter ihr ins Schloss fiel, erhöhte sich ihr Unbehagen noch mehr.
Sie sah Christophe mit dem Rücken zu ihr auf der anderen Seite am Fenster stehen. Monsieur Marchand hatte ihn zuerst zu sich gerufen. Eine große Erleichterung erfüllte sie, da Christophe während ihres Gesprächs mit Monsieur Marchand hier bleiben würde.
„Bonjour, Mademoiselle Girard.“ Monsieur Marchand stand hinter seinem Schreibtisch und bedeutete ihr, sich ihm gegenüber auf einen der Mahagonistühle zu setzen.
Sie machte einen Knicks und wählte den Stuhl, der sie in Christophes direkte Blickrichtung brachte. Wenn er sich nur umdrehen würde!
Monsieur Marchand sagte einen Moment lang nichts. Sein Zögern vermittelte ihr den Eindruck, dass ihn das, was er gleich sagen würde, große Kraftanstrengung kostete. „Monsieur Charvet hat mich davon in Kenntnis gesetzt, dass Sie beide bereits miteinander gesprochen haben, Mademoiselle Girard. Und dass Sie über die geänderten Umstände informiert sind.“
Sie nickte und wünschte, Christophe würde sie anschauen.
„Bevor ich weiterspreche, möchte ich Ihnen sagen, dass es für mich von größter Bedeutung war, Ihnen eine Stellung zu sichern, die meine Wertschätzung Ihrer jahrelangen ausgezeichneten Dienste widerspiegelt, Mademoiselle.“ Bedauern zog über Monsieur Marchands Gesicht. „Und auch die Dienste Ihrer Mutter“, fügte er mit überraschender Sanftheit hinzu. „Deshalb habe ich mich dafür eingesetzt, dass Sie in Monsieur Descantes’ Familie unterkommen.“
„Merci beaucoup, Monsieur Marchand.“
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