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Land Spielen

Land Spielen

Titel: Land Spielen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Mezger
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Christine anzuschauen und zu meinen. Der Dorflehrer fühlt sich angesprochen, nimmt das Gespräch auf, denkt laut: »Ja, stimmt, warum eigentlich?« Fügt an: »Schön, wieder einmal hier zu sein!«
    Dann zieht er endlich seine Jacke aus, hängt sie im Flur an den Haken, seine Frau tut es ihm gleich, man kennt sich aus in unserem Haus, fühlt sich nicht fremd, kommt wie immer mit zwei Flaschen Wein in der Hand in die Küche zurück, würde sich normalerweise gleich ein paar Gläser aus dem Schrank nehmen und gemeinsam mit den Weintrinkern von uns ins Wohnzimmer setzen. Aber heute geht es umständlicher zu, Andreas drückt Moritz die Flaschen in die Hand, Moritz bedankt sich, bestaunt die Etiketten, nennt den Wein mit Kennermiene einen guten Tropfen, sagt, da freue er sich aber darauf, und ist wohl tatsächlich froh, denn jetzt hat er wieder etwas zu tun. Er wühlt in der Küchenschublade nach einem Korkenzieher, sagt, dann könne der Wein schon einmal etwas atmen. Dann endlich kommt Vera, sie begrüßt die Neuangekommenen mit jeweils dreifachen Küssen, schaut dann irritiert zu Moritz: »Du hast doch schon eine Flasche ins Wohnzimmer gestellt.« Moritz lässt sich nichts anmerken, erklärt, man trinke ja sicherlich mehr als eine Flasche, setzt an zu Erklärungen über Sauerstoff, den man dem Wein frühzeitig zukommen lassen müsse, Christine unterbricht ihn unaufmerksam, macht Vera ein Kompliment für das Kleid, dass diese aus dem Schrank gewühlt hat.
    Zwei der vier Erwachsenen wären froh, wenn jetzt die Kinder ein wenig Aufmerksamkeit auf sich ziehen würden, wenn irgendeiner etwas Lustiges fragen oder etwas Seltsames tun würde, aber am Küchentisch wird stumm gegessen oder Überschwemmung gespielt, die beiden Erwachsenen, für die das hier alles kein Problem ist, halten die nun eintretende Stille in der Küche besser aus. Freundliche oder unsichere Blicke gehen hin und her, bis Moritz einladend verkündet: »Na, dann wollen wir mal.«
    Das Essenseinladungsspiel ist eigentlich leicht: Man schickt die Kinder nach oben, man geht schon einmal ins Wohnzimmer. Als Gast setzt man sich auf Sofakanten, um gleich aufstehen zu können, wenn das Essen kommt, man lobt, was man gerade zu Gesicht bekommt, man fragt, wie es denn so laufe, man antwortet und sucht sich irgendein unverfängliches Thema, über das man so ausführlich wie möglich referieren kann. Moritz, der ansonsten ein geschickter Gesellschaftsspieler ist, braucht lange, bis er aktive Züge unternimmt, Andreas schaut aus dem Fenster, bewundert den Wuchs unserer Hecke, Vera ruft aus der Küche, sie komme gleich, Christine wirft unserem Gastgeber ungesehen unsichere Blicke zu, steigt kurz in das Heckenloblied ein, Moritz nimmt die Huldigungen seiner Baumpflegerkunst abwesend entgegen, dann endlich kommt Vera mit dem Essen, man setzt sich zu Tisch, wünscht sich guten Appetit und dann hat unser Redner endlich ein referierungswürdiges Thema gefunden: Man habe ja eigentlich Huhn machen wollen, sagt er, er wollte das mit dem Schlachten längst einmal ausprobieren, das soll nicht so schwer sein, er habe sich unterdessen eingelesen, Vera sagt, es gäbe appetitlichere Themen, Christine sagt, es schmecke gut, das Fleisch sei sehr zart, Andreas stichelt: »Na, Moritz, eure Hühner sind von dem ganzen Freilaufen bestimmt längst zäh.« Vera: »Was habt ihr mit den Hühnern? Das ist Rindfleisch.« Moritz: »Rinder sind dann der nächste Schritt, erst mal fangen wir beim Federvieh an.« Vera sagt, dass man schon längst darüber gesprochen habe, man müsse es ja nicht übertreiben, die Hühner legten Eier und das reiche wohl. Und Moritz spöttelt ein wenig über seine mimosenhafte Frau, der Herr Dorflehrer ergreift für sie Partei, sagt, er finde Huhn sowieso am praktischsten, wenn man es tiefgekühlt und frittiert kaufe, und so wirft man sich Sätze zu, lacht, macht sich über weltfremde Konsumenten oder eben über Selbstversorger lustig und der Abend scheint einen guten Verlauf zu nehmen.
    Während sich unsere erwachsenen Teammitglieder in unverfängliche Themen zu verstricken suchen, haben die Kleineren von uns den Auftrag, den Abend selbstständig ausklingen zu lassen. Wir liegen erst auf der Lauer, in jedem der oberen Zimmer ist beinahe alles zu hören, was unten verhandelt wird, wir sind uneins, ob wir die Hühner hergeben wollen, diskutieren kurz, kommen zu keinem Schluss, weil wir wissen, dass es sowieso immer anders kommt als angekündigt. Auch ist Ada aus

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