Landgericht
deutschstämmige Juden in Israel. Daß polnischstämmige und litauische Juden Anträge stellten, war nicht vorgesehen; der
Eiserne Vorhang
war ein gern zitierter Vorwand. Es war möglich, mit Kommunisten über die Rückkehr der letzten Kriegsheimkehrer zu verhandeln, es war aber nicht gewollt, Opfer in den kommunistischen Ländern zu entschädigen. Auch die Zwangsarbeiter wurden grundsätzlich vergessen. Und Richard Kornitzer hatte bereits in einer Fachzeitschrift gelesen, daß Künstler, deren Werke als
entartet
gewertet worden waren, grundsätzlich von einer Entschädigung ausgeschlossen waren, es habe sich um keine Verfolgung, sondern um
kulturpolitische Maßnahmen
gehandelt, hieß es. Auch ehemalige Kommunisten wurden häufig von der Entschädigung ausgeschlossen. Ihre Haftstrafen in Zuchthäusern und Konzentrationslagern wurden umgedeutet in legale Strafen für kriminelle Handlungen. Haftentschädigung, Rückerstattung des geraubten Eigentums, soziale Sicherung nach den verlorenen Jahren waren ein bunter Flickenteppich.
Man muß in die Gesetzgebung hineinkriechen, um sich mit ihr und vor allem ihren Lücken gründlich vertraut zu machen, um die haarspalterischen Urteile zu analysieren. Der kenntnisreiche Landgerichtsdirektor Dr. Kornitzer muß zum ersten Mal in seinem Leben einen Rechtsanwalt beschäftigen, das heißt auch: seine Honorare bezahlen. Und das muß auch jemand, der krank und elend aus dem Konzentrationslager gekrochen ist und nicht mehr auf die Beine gekommen ist. Es war eine Taktik der Zermürbung. Kornitzer entschied sich für einen alteingesessenen Rechtsanwalt in Mainz, Wilhelm Westenberger, der, soweit er gehört hatte, einen untadeligen Ruf hatte. Für jeden Anspruch mußte ein gesonderter Akt angelegt werden: für die beruflichen Schäden, für die gesundheitlichen Schäden, für die materiellen Verluste. Nur der Verlust an Angehörigen, an Lebensfreude, Lebensgewißheit war nicht aufzulisten, zu beziffern. Mit Grundbüchern und Handelsregistern war leichter umzugehen als mit ideellen Werten wie der seelischen und körperlichen Gesundheit und ihrer Dokumentation. Leichter als mit Leben und Tod. Gewaltig lange Fragebögen waren zu beantworten.
Sie werden gebeten, jeden Anspruch in einem besonderen Schriftstück zu behandeln, da getrennte Akten geführt werden
. Für die Wiedergutmachung waren die Gerichte am letzten Wohnort vor der Emigration zuständig. Das Entschädigungsamt Berlin in der Potsdamer Str. 186 korrespondierte mit der Geschäftsstelle des Landgerichts Berlin, 146. Wiedergutmachungskammer; die Wiedergutmachungskammer korrespondierte mit dem Senator für Finanzen in Berlin, Sondervermögens- und Bauverwaltung, Fasanenstr. 87; und am Ende stand ein Urteil, meistens eines, das sich gegen den Antragsteller richtete, seine Ansprüche abwehrte.
Rückerstattungssache Kornitzer ./. Deutsches Reich
hießen solche Akten, sie ließen den Kläger schlaflos und bereiteten Kopfschmerzen untertags.
Beanspruchtes Vermögen:
A) Hausrat in der früheren Wohnung Cicerostr. 63
Claire hatte die Wohnung aufgeben müssen nach Richards Emigration. Als ihre eigene Emigration scheiterte, zog sie in eine kleinere Wohnung in die Nürnberger Straße.
B) Wertpapierdepot
C) Lebensversicherungen
D) Judenvermögensabgabe
E) Grundstück
zu A) mußte geantwortet werden: „Es sind noch Ermittlungen im Gange. Es wird um Fristverlängerung gebeten.“
zu B): „Die umfangreiche Korrespondenz mit der Deutschen Bank in Berlin hat noch nicht zu einer Klärung geführt, da die Unterlagen der Deutschen Bank teils vernichtet, teils im russischen Sektor von Berlin sind. Es wird gebeten, diese Sache bis auf Anruf ruhen zu lassen.“ Dann finden sich die Originalquittungen tatsächlich – Claire ist eine sorgsame Person und hat, was sie selbst in Berlin bei ihrer Evakuierung nicht aufheben konnte, ihrer Schwester Vera gegeben, die die Papiere ausgrub, nach und nach fand sich vieles –, und Kornitzer schreibt an die Deutsche Bank, Depositenkasse Y, Berlin W. 15: „Da die Originalquittungen erhalten sind und vorliegen, meine Frau und ich aber jahrelang schwer verfolgt wurden und ich fliehen mußte, müssen wir von diesen Quittungen ausgehen und Sie erneut bitten, uns die Aufträge – sei es auch des damaligen Oberfinanzpräsidenten, des Finanzamtes oder der Gestapo – sowie den Verbleib des Gegenwertes der Wertpapiere nachzuweisen. Dies gilt natürlich auch für den nach den Umständen kaum erkennbaren Fall
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