Landgericht
einer Gutschrift zur Verfügung meiner Frau.“ Allein herauszufinden, daß die Depositenkasse Y für ihn zuständig ist, hat Kornitzer eine unendliche Kleinarbeit gekostet. „Warum bringt die Bank nicht die vollen Unterlagen? Daß diesseits der Nachweis erbracht werden soll, was sich zwischen der Bank und der Gestapo und dem NS-Fiskus abgespielt hat, ist doch wohl zu viel verlangt.“
zu C): „Richard und Claire Kornitzer bei Phönix-Isar und Victoria. Diese Sachen werden fürsorglich in der Wiedergutmachungssache geltend gemacht. (Lindau, Bodensee und Berlin) Die Lebensversicherungen konnten auf Grund der Verfolgung nicht weiter bedient werden. Es handelt sich um drei Policen: 3.000 RM + 3.000 RM + 6.000 RM für Dr. Richard Kornitzer; zwei Policen für Claire Kornitzer geb. Pahl über je 6.000 RM. Die Versicherungen bestehen noch und werden von der Victoria-Versicherung anerkannt. Die Versicherungen wurden 1941 gepfändet und für die Judenvermögensabgabe – einmal mit 1.554 RM und ein anderes Mal mit 1.792 RM belastet. Infolge der unterschiedlichen Regelungen und des Fehlens von Bundesbestimmungen usw. kann noch nicht eigentlich geklärt werden, ob es sich um Restitution oder Wiedergutmachung – teils auch Entschädigung genannt – handeln wird. Auch hier wird gebeten, dort die Sache bis auf Anruf ruhen zu lassen.“
zu D): „Auch hier ist die Sach- und Rechtslage bisher nicht einheitlich geklärt. Unter Vorbehalt aller Ansprüche wird jedoch insoweit das Einverständnis mit vorläufiger Abgabe an das dortige Entschädigungsamt für den unterzeichnenden Ehemann und soweit die Einziehung gegen die Ehefrau erfolgt ist, an das Wiedergutmachungsamt Lindau (Bodensee) erklärt.“
zu E): „Beanspruchtes Vermögen: Grundstück Berlin-Schmargendorf, Kudowastr. 9a“
In den sechziger Jahren wurde dieses Grundstück mit einem banalen Mietshaus für sechs Parteien überbaut. In der Nähe, zwei, drei Gemarkungen weiter, beginnt ein verwildertes Schrebergartengebiet. Vielleicht war das Grundstück viele Jahre ungenutzt oder auch als Schrebergarten schlecht und recht zu verwerten. Radieschen, Rhabarber, Himbeerhecken und Astern im Herbst: Westberlin hatte zu viel Raum, Raum für Dutzende von Gebrauchtwagenhalden, mindere Kirmesplätze und eben auch für Schrebergartensiedlungen in besten oder mittelprächtigen Lagen. Ein Stadtgebilde wie ein löchriges Gebiß.
Kornitzer erreicht ein Brief aus Berlin mit dem Briefkopf
Der Senator für Finanzen: Die entzogenen Sachen, Wertpapiere und Forderungen sind genau zu bezeichnen. Falls Ihnen das nicht möglich ist, wird Rücknahme der Ansprüche innerhalb der Frist anheimgestellt. Andernfalls werden Sie gebeten, innerhalb der Frist mitzuteilen, wann und auf welche Weise Ihnen die Vermögensgegenstände entzogen worden sind, wann Sie aus Deutschland ausgewandert sind und ob und wann Sie eine ausländische Staatsbürgerschaft erworben haben
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Postwendend schreibt er zurück, das will er keinesfalls Rechtsanwalt Westenberger überlassen: „Da ich zur Verhinderung meiner Ermordung nach Kuba flüchten mußte, kann ich nähere Angaben nicht machen, und sind mir solche auch nicht zuzumuten. Die Vernehmung meiner Frau wird jedoch hinreichend Klarheit erbringen.“
Nein, Kornitzer ist von dem neuen Gesetz in keiner Weise überzeugt, ruhen lassen, warten auf eine Novellierung zum Besseren, Fristverlängerungen beantragen sind die Prinzipien, nach denen er und Westenberger die Wiedergutmachung betreiben. Er findet dann ein Urteil des 13. Senats des Berliner Kammergerichts, das ihn empört, es rüttelt an seinem Rechtsempfinden wie eine eisige Sturmbö. Eine „arische“ Frau, die ihrem Mann in die Widerstandsarbeit gefolgt und der in einem KZ gestorben war, hatte in der höheren Instanz geklagt und war in ihren Ansprüchen auf Wiedergutmachung abgewiesen worden. Im Urteil hieß es:
Die Klägerin gibt zu, daß sie persönlich nationalsozialistischen Gewaltmaßnahmen nicht ausgesetzt gewesen sei, daß sie sich auch von ihrem Mann ohne weiteres habe trennen können. Sie sei ihm aber trotzdem in die Illegalität gefolgt. Somit beruhte ihr Leben in der Illegalität auf ihrem freien Entschluß und war nicht durch eine gegen sie gerichtete nationalsozialistische Gewaltmaßnahme bedingt
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Er zeigt den Text Claire, und Claire beginnt einfach zu weinen. Das Weinen tut ihr gut, es lockert etwas, das zu versteinern drohte. Es ist ein helles, tonloses Schluchzen, fast ein Fiepen, sie schnappt
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