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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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ein
    Alkoholproblem nachgesagt wurde. Er fand Trost in der
    kleinen alten Dame, die ihre Brille an einer Kordel um den
    vom Kropf geschwollenen Hals trug und, hinter einem ver-
    gitterten Fenster im Rathaus, den Betrag der monatlichen
    Stromrechnung entgegennahm, und in dem Postboten,
    Mr. Bingham, der mit dem Heroismus des weit verbreite-
    ten Reklamespruchs der Post zweimal am Tag die Mifflin
    Avenue rauf- und runterstapfte, in einem leichten Win-
    kel von dem Gewicht seines Lederbeutels weggebeugt,
    in dem manchmal Mickey-Mouse-Comics und Dekodie-
    rungsringe und signierte Fotos von Filmstars für Owen ein-
    trafen. Wenn sein diffuses Kindheitsglück sich zu einem
    einzigen Moment destillieren ließe, dann wäre es der Tag
    des Schneesturms, bald nach Weihnachten – nachmittags,
    draußen war es schon dunkel unter der Wolkendecke, La-
    metta und trockene Tannennadeln rieselten im Wohnzim-
    mer vom Baum auf die Miniaturlandschaft darunter, die er
    und seine Mutter gebastelt hatten: Watte und Luxfiocken
    als Schnee, Zahnstocher in grün angemalten Schwamm-
    stückchen als Bäume und als Behausungen fertig gekaufte,
    fragile Pappmache-Häuser, um einen fleckigen Spiegel als
    See angeordnet. Auf der ovalen dreispurigen Schienen-
    strecke fuhr sein kleiner blauer Lionel-Zug mit seinen
    sich gehorsam verändernden Geschwindigkeiten und dem
    durchsichtigen Geruch von Schmieröl. Plötzlich – ein Ge-
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    räusch, das Owen elektrisierte – verkündet das Klappern
    des Briefkastenschlitzes, dass Mr. Bingham sich durch den
    Schneesturm gekämpft und, zum zweiten Mal an diesem
    Tag, die Post gebracht hat. Dass bei dem Schneesturm
    Postboten unterwegs waren und Straßenbahnen ratterten,
    schien die hollywoodsche Comic-Strip-Version der ame-
    rikanischen Wirklichkeit zu bestätigen: Wir waren so si-
    cher und wurden so liebevoll von oben betrachtet wie die
    kleinen, niemals alternden Figuren in
    er
    ein geschüttelten
    Schneekugel.
    Nur wenig höher angesiedelt als die Verwalter der
    Ordnung im Ort waren die nationalen Berühmtheiten.
    Sie waren sogar zugänglicher und vertrauter: Jack Ben-
    ny und Fibber McGee, die in dem kleinen Philco-Radio
    im Klavierzimmer ihre Witze rissen und ihre peinlichen
    Situationen bestanden, gleich neben dem Sessel mit den
    speckigen Armlehnen, wo Owen Cracker mit Erdnussbut-
    ter aß, doppelt verzückt vom Lachen und Kauen; Tyrone
    Power mit schwarzen, sorgenvoll zusammengezogenen
    Augenbrauen und Joan Crawford, deren riesige dunkle
    Lippen tapfer bebten, während in jedem ihrer vergrößer-
    ten Augen eine Träne schwamm, die einen Eimer füllen
    würde, auf der Leinwand im Scheherazade; die Schrift-
    steller in Tweed, an ihren Pfeifen nuckelnd, und die be-
    brillten Erfinder in Laborkitteln und die geschniegelt fri-
    sierten Schickeria-Leute in den Glamourblättern Life und
    Liberty, Collier’s und The Saturday Evening Post, die auf dem
    hohen hölzernen Gestell in Eberly’s Drug Store standen
    und von jedem, der einen Dime hatte, käuflich erworben
    werden konnten. Es gab eine Freundlichkeit, ein Gefühl
    der Nähe, wie sich dieses Firmament über Willow und sein
    Tal breitete. In den Stimmen von Bing Crosby und Lowell

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    Thomas und Kate Smith schwang nichts von den schroffen
    Forderungen realer Stimmen mit – denen seiner Mutter,
    seiner Lehrer, der albernden Mädchen –, und doch lebten
    diese Berühmtheiten, den Drehbüchern der Radio-Come-
    dies nach zu urteilen, ähnliche Leben wie wir, gingen zur
    Bank und zum Zahnarzt. Jack Benny ging sogar zu seinem
    Nachbarn, um sich eine Tasse Zucker von Ronald Colman
    auszuleihen. Obwohl der ganze Kontinent dazwischen lag,
    nahmen diese Stars an dem Leben teil, das hier gelebt wur-
    de, in Owens Nachbarschaft mit den schmalen Veranden
    und den buckligen Stützmauern. Es gab keine bessere
    Art zu leben, es gab kein großartigeres, kein tugendhafte-
    res Land als Amerika und keinen heimeligeren Staat als
    Pennsylvania. Gott figurierte ganz oben, der unvorstellbare
    Schlussstein, doch in barmherzig großer Ferne, weiter weg
    als Hollywood und Beverly Hills.

    «Da bist du ja», sagt er zu seiner Frau, als er das «Hier»
    dechiffriert und sie leibhaftig – das weiß gesträhnte Haar,
    die blauen Flip-Flops – draußen auf der Veranda gefunden
    hat, wo sie die New York Times liest.
    Er besteht darauf, den Boston Globe zu lesen – auch das
    eine Nichtübereinstimmung. «Ich hatte einen höchst selt-
    samen Traum», fängt er an. « u
    D

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