Landleben
an.
Stürze.
Zerbrechlichkeit.
Wenn
ein
aufdringlicher
Fremder oder ein Psychiater Owen gefragt hätte, warum
er Julia so sehr liebte, hätte er womöglich einen erotischen
Moment hervorgekramt, der sich ein paar Jahre zuvor er-
geben hatte, in der Genesungszeit, nachdem sie sich das
Bein gebrochen hatte – einen Knochen im Fußgelenk und
einen weiteren im Fuß –, als sie ihn auf der hinteren Trep-
pe überholen wollte. Er hatte sie hinter sich gespürt, wie
ein Raubtier auf Verfolgungsjagd, ungeduldig schnaubend,
dann hörte er das scharfe, einsilbige: « Oh! », und sie flog
in die Luft – ausgerutscht auf dem schmalsten Stück der
dreieckigen, mit Teppich belegten Stufe in ihren neuen,
glatten Schuhen mit dem durchbrochenen Oberleder. Eine
Sekunde lang flog sie durch die Luft, sauste an ihm vorbei,
perspektivisch verkürzt, wie ein Engel, der mit seiner Ver-
kündigung zur Erde niederschwebt, und dann landete sie
auf dem Teppich im Flur und blieb dort reglos liegen. Er
eilte zu ihr, mit einem Pochen in der Brust. Eine plötzliche
Katastrophe auf des Lebens Bühne: Was war seine Rolle?
Julia sagte leise, während ihr zweiter Ehemann ängstlich
Über ihr kniete: «Ich habe zweimal ein Knacken gehört.
Knackknack.» Diese präzise Angabe inmitten einer Notla-
ge – so war Julia: praktisch, sachlich. Während sie da lag
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und ihr still gewordenes Profil zeigte und er hilflos neben
ihr kniete und das enorme Ausmaß dieses jähen häuslichen
Ereignisses in sich einsinken ließ, fragte sie: «Könntest du
mir den Pullover ausziehen? Vorsichtig.» Sie fügte hinzu:
«Mir ist heiß. Ich glaube, ich werde ohnmächtig.»
«Was sollen wir tun?», fragte er sie.
Sie schwieg, als wäre sie ohnmächtig geworden.
Da er notgedrungen die Dinge in die Hand nehmen
musste, sagte er zu ihr: «Wir müssen dich ins Kranken-
haus bringen. Kannst du auf einem Bein hüpfen, wenn du
dich an meiner Schulter festhältst?» Sie schafften es zum
Auto, zur Notaufnahme des Krankenhauses, wo eine grobe
Schiene gefertigt wurde, und am nächsten Tag zum eine
Stunde Fahrt entfernten Massachusetts General Hospital
in Boston.
In dem Monat danach schliefen sie nicht miteinander,
doch er zeigte seine Liebe, so sah er es, indem er ihr Es-
sen brachte, das er zubereitet hatte, indem er lernte, sich
um die Wäsche und das Kochen zu kümmern, indem er
Backgammon mit ihr spielte und abends mit ihr fernsah.
Nach dem Monat waren sie sich einig, dass sie wieder ver-
suchen sollten, miteinander zu schlafen, obwohl sie unge-
fährdet reglos unter ihm liegen und er auf ihre genesenden
Knochen achten musste. Im Mass. General hatte man ihr
keinen Gipsverband gemacht, sondern ihr, nach der neues-
ten Behandlungsmode, einen Plastikstiefel verordnet – ein
bisschen wie Raumfahrttechnik, sich überlappendes Grau
und Blau, mit einer gerillten Sohle, gekurvt wie ein Schau-
kelstuhl. Man konnte ihn kurz ausziehen, musste ihn aber
bei etwas Anstrengendem wie Ficken anbehalten. Er ver-
suchte, auf Ellbogen und Knien gestützt über ihr zu schwe-
ben und ihr so viel wie möglich von seinem Gewicht zu
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ersparen, und zu seiner dankbaren Überraschung spürte er,
wie sie sich ihm in ihrer Erregung entgegenhob, schneller
als sonst, und entschlossen ihr Schambein an seinem rieb,
und sie kamen zusammen – juwelenhafte Libellen, die
sich in der Luft paarten. Atemlos danach sah Julia ihn aus
dem Kopfkissen mit dem milchigen Ausdruck der Zufrie-
denheit an, der einen Mann, für einen Moment, mit dem
Universum in E
n
inkla g versetzt; alle Schulden sind begli-
chen, alle Sorgen als nichtig entlarvt.
Vielleicht hatte es an dem Stiefel gelegen. In den ers-
ten Wintern in diesem ungenügend geheizten Holzhaus,
das vor einem Jahrhundert als Sommerhaus gebaut worden
war, hatte es sie beide erregt, wenn sie ihre Wollsocken an-
behielt. Sie war damit irgendwie nackter, und nicht weni-
ger nackt. Mann und Frau waren politisch verschiedener
Meinung, und sie litten häufig unter einer Diskrepanz von
Vorurteilen, aber eine Übereinstimmung in ihrem Nerven-
system sorgte für Ausgleich. Julia stammte von der Küs-
te Connecticuts und war «privilegiert» aufgewachsen. Sie
fuhr mit einem MG-Cabrio zu einer Privatschule, durch
eine Reihe von grünen Vororten und über eine Reihe von
Eisenbrücken. An ihrer Schule gab es kein Basketball-
Team und kein Football-Team, die Hauptsportarten waren
Tennis, Golf
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