Landleben
große Ereignis?»
«Wir dachten, schon bald, vielleicht im Mai. Danach
wird es da unten höllisch heiß. Dann kommen wir hier rauf
und haben den Ostküstensommer, bevor der lange Winter
kommt. Sie hat noch nie einen Winter im Norden erlebt.
Schnee hat sie nur auf Berggipfeln gesehen, auf den San
Gabriels.» Schon redete Ed pompös daher, ein Konsument
geographischer und klimatischer Verhältnisse.
Die Kellnerin kam und bot ihnen Dessert oder Kaffee
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an. Ed wollte den Pflaumen-Feigen-Brownie probieren, mit
Schlagsahne, und dazu einen Cappuccino. Owen begnüg-
te sich mit Pfefferminztee. Er fragte Ed: «Wie hast du sie
denn überhaupt gewonnen? Ich habe nie was gemerkt.»
«Du hast damals nicht so gut aufgepasst», sagte Ed – die
dritte Stichelei, die Owens Privatleben betraf. Owen hat-
te Faye, darüber war man sich in Middle Falls einig, noch
nicht überwunden. «Ich bin
l
einma unten gewese
n, und
sie war ein paarmal hier. Phyllis hat sie kennen gelernt.»
«Tauglich?» Der Pfefferminztee, heißes Wasser mit
einer schwachen grünlichen Färbung, wurde vor ihn hinge-
stellt; Eds Brownie sah so schwerdunkel und mächtig aus
wie Schokoladenkuchen, mit einem wankenden Wirbel
Schlagsahne obenauf. Owen lief die Spucke im Munde zu-
sammen. Sollte so der Rest seines Lebens aussehen – Ver-
zicht? Er sagte: «Sie hat mir nie etwas davon gesagt.»
«Ich habe sie gebeten, nichts zu sagen. Sie mochte Stacey
sehr», sag e
t Ed und sah Owen mit zusammengekniffenen
Augen an, falls er ihm zu widersprechen wagte.
Ed hatte Phyllis um ihre Zustimmung gebeten, und sie
hatte sie ihm gegeben – alles, ohne dass ihr Mann davon
wusste. Wir haben alle unser inneres Leben, dachte Owen: Ge-
heimnisse, die wir schützen müssen. Die Erkenntnis schien
in ein Segment seiner eigenen Befreiung einzuklicken.
Stacey, so stellte sich heraus, war überaus charmant. Sie
war dünn, aber weich und biegsam, sogar geschmeidig,
wie sie sich bewegte und wie sie sprach. Sie hatte einen
breiten weichen Mund, der ihre Worte, wenn sie sprach,
zu verlangsamen schien – es war wie ein niedlicher kleiner
Sprachfehler bei einem Kind. Sie war so viel jünger als sie
alle, dass sie manche der Hemmungen der anderen nicht
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kannte. Sie schwamm gern nackt in dem geheizten Swim-
mingpool, der zu dem etwas protzigen Haus gehörte, das
Ed für sie beide in dem Neubaugebiet auf der Anhöhe am
Wilson Drive gekauft hatte. «Welcher Wilson, Woodrow,
Charlie oder Don?», fragte Owen, aber Ed war viel zu ver-
narrt in seinen Status als Ehemann, um den Sarkasmus her-
auszuhören. Im zweiten Sommer hatten Owen und Ed sich
an Staceys Nacktheit gewöhnt, und an manchen Abenden
schloss sich Phyllis ihr an. Schließlich war es nichts ande-
res als ein Hot Tub im Garten, was einem ja gut tun soll-
te. Die Figur der Älteren, Brüste und Bauch jetzt wieder
straff, nachdem die Phase des Kindergebärens endgültig
vorüber war, konnte es durchaus mit Staceys aufnehmen:
Stacey war zwar jünger, aber ihr Körper war schlaffer. Ed
und Owen behielten ihre Badehosen an.
«Ist es nicht süß, wie schüchtern sie sind», sagte Phyllis
zu Stacey. Der Pool war nicht nur geheizt, er hatte auch Un-
terwasserlampen, die wabernde Verkürzungen der Hüften
und wassertretenden Beine der Frauen zeigten. Die Köpfe
wirkten klein mit dem flach an die Schä e
d l angeklatschten
Haar.
«Oh, Männer sind so», sagte Stacey in ihrem näselnden
texanischen Tonfall. «Sie haben Angst, dass man ihnen ihre
kleinen Pimmel abschneidet.»
«Oder darüber lacht», schlug Phyllis vor, um das Bild ein
bisschen weniger gruselig zu machen.
«Läuft so ziemlich aufs Gleiche raus», sagte Stacey.
Die verspotteten Männer saßen im Schatten auf Alumi-
niumstühlen, Bierdosen in der Hand, während die Meer-
jungfrauen in den Lichtern des Pools auf- und abtauchten.
Wenn Stacey aus dem Wasser kommen wollte, schwamm
sie wasserdreschend zu der Leiter und stellte sich auf
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den Beckenrand, wo sie ihren Kopf vornüberhängen ließ
und ihr langes dunkles Haar wie ein Handtuch auswrang.
Wenn das Licht hinter ihr war, sah Owen, wie die Trop-
fen von der Spitze ihres Schamdreiecks fielen – ein nasser
Spitzbart zwischen ihren mageren Schenkeln. Mit trägen
Schritten, bei denen ihre langen Füße Abdrücke auf den
Steinfliesen der Beckenumrandung hinterließen, ging sie
und nahm sich ein Badetuch und hüllte sich darin ein.
Mit der
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