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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Länge seines
    Körpers, als wäre das Bewusstsein ein seidenes Gewand,
    das an seine Haut rührte, wo immer er seine Aufmerk-
    samkeit hinzulenken beliebte, die umschlossene Luft
    dieses Raumes, dieses Parallelotop, aus den Milliarden
    von Kubikmetern häuslichen Raums in Amerika heraus-
    geschnitten, behaglich, aber aus freien Stücken gefüllt mit
    menschlicher Liebe, mit seiner Liebe zu seiner Frau und
    zu seinem Partner, und jetzt zu seines Partners Partnerin,
    deren tief gebräuntes Knie sich nun nicht mehr unter der
    Glasplatte des Couchtischs zeigte, weil sie näher an seinen
    dänischen Sessel gerückt war. Diese Einzelheiten, lebendi-
    ge und nicht lebendige, trafen auf seine Neuronenstruktur
    mit jener verlorenen Reinheit, jenem flachen aufzählenden
    Staunen, das es bei Krankheiten in der Kindheit gibt, wenn
    man im Bett bleiben muss und von jeder Pflicht entbun-
    den ist, außer der, zu existieren, weiterzuleben, weiterhin
    zu sein. Wie hatte er nur so lange einen so grundlegenden

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    Schatz verlegen kön e
    n n, diese Dimension der glückseligen
    Freude an Dingen?
    Elterliche Stimmen vermischten sich im Flur, die Ge-
    räusche einer Tür, die geöffnet und geschlossen wurde,
    dann die eines Autos, das anfuhr und wegfuhr. «Was ist
    los?», fragte er t
    S acey, deren Gesicht näher an seine Knie
    gerückt war.
    «Phyllis hat Ed gebeten, sie nach Hause zu bringen. Sie
    hatte das Gefühl, si mü
    e
    sse sich überg ben
    e
    .»
    «Konnte sie sich nicht hier übergeben?»
    Staceys Gesicht sah breiter aus, als ihm je aufgefallen
    war, und intelligenter; Freundlichkeit formte jedes Mole-
    kül ihrer geschwungenen, unbekümmerten Lippen. Sie
    kannten sich inzwischen seit fast zwei Jahren, und er hatte
    nie dieses umfassende Engelhafte an ihr bemerkt. Sie sag-
    te: «Und sie macht sich Sorgen wegen des Babysitters.»
    «Wer fährt den Babysitter nach Hause, wenn Phyllis so
    übel ist?»
    «Ed macht das.»
    «Was i t
    s mit mir?», fragte Owen. «Warum werde ich aus
    allem ausgeschlossen?»
    «Wirst du doch gar nicht, du Süßer. Sie hat dich gebe-
    ten, mit nach a
    H use zu kommen, aber du hast dich gewei-
    gert.»
    «Geweigert?»
    «Na ja, du hast gar nichts gesagt. Du hast einfach dage-
    sessen, bedröhnt, und ich glaube, es ging ihr nic t
    h so gut,
    da wollte sie nicht bleiben und streiten.»
    «Ich achte
    d
    gerade, wie reizend alles hier ist, mit uns
    vieren. Phyllis hat eine negative Seite.»
    «Das weiß ich, Owen, Liebling. Ich weiß das. Ich weiß
    alles Über euch zwei. Ed spricht die ganze Zeit von euch

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    beiden. Phyllis wollte dir nicht erlauben, Faye zu haben,
    und du hast innerlich aufgegeben. Darf
    o
    ich ffen sein?»
    «Du kannst offen sein.»
    «Es macht mich trauuurig», sagte sie in gedehntem Ton,
    «wenn ich sehe, dass du aufgegeben hast. Owen, du machst
    alles nur noch mechanisch.»
    «Wirklich? Wie soll ich das wissen? Also, ich habe gar
    nicht das Gefühl, dass ich alles nur mechanisch mache. Es
    ist so, wie wenn alle fragen, ob ein Computer denken kann.
    Und – können denn Menschen denken? Über Menschen
    kannst du doch nur sagen, sie denken, dass sie denken.»
    Er wehrte ab; ihre ihn betreffenden Behauptungen waren
    eher selbstsüchtig, so wie die kalte Hälfte seines Gehirns
    es sah, doch insgesamt war vielleicht etwas dran.
    «O jaaa», sagte Stacey. «Du armer, armer schöner Ge-
    fangener.»
    Ihr warmes weites Gesicht war noch näher gerückt, zwi-
    schen seine Schenkel, während er sich träumend tiefer in
    Eds Sessel sinken ließ. Sie lehnte ihr Gesicht an die In-
    nenseite seines Schenkels, sodass er, wenn sie lächelte,
    den leichten Druck der Wölbung ihrer Wange durch den
    Khakistoff spürte. «Gefangener?», fragte er und versuch-
    te, das Wort mit diesen Oberflächen – den Wänden und
    den Möbeln, die für ihn vor wenigen Sekunden noch mit
    Glückseligkeit angefüllt gewesen waren – in Einklang zu
    bringen. Die klare Hälfte seines Verstandes kam ihm vor
    wie ein Splitter im Fleisch dieser verflogenen Offenbarun-
    gen. «Wann kommt Ed zurück?», fragte er. Die Menschen
    waren am falschen Ort, und er musste das in Ordnung
    bringen.
    «Noch nicht so bald, du süßes Ding», sagte Stacey, im-
    mer noch lächelnd, und ihre perfekten kalifornisch-texa-

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    nischen Zähne gruben sich in die Unterlippe, als wollte
    sie ihr eigenes Lächeln schmecken. «Ich habe was vor,
    Owen. Du musst mich einfach machen lassen.» Mit zu-
    sammengepresstem Mittelfinger und

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