Landleben
konnte, empfand er seine Arbeit als trivial; die Art der
Datenverarbeitung, die er an einem Großrechner im Wert
von zweihunderttausend Dollar möglich machte, hätte in
den meisten Unternehmen auch mit Lochkarten erledigt
werden können, behäbiger und langsamer zwar, doch ohne
qualitativen Unterschied. «Zahlenfressen» nannte man
diese Rumrechnerei, mit
e
ein r Zärtlichkeit, die zugleich
die eigentliche Plackerei dramatisierte.
«Ed», fragte Owen seinen Partner eines Tages beim
Lunch, «muss es nicht etwas Nächstes geben?» Sie ver-
suchten, einmal in der Woche zusammen zu Mittag zu
essen, nur sie beide, weil der Erfolg des Unternehmens,
die Vervielfachung von Projekten und Angestellten, sich
zunehmend zwischen sie drängte, als würde der Binde-
strich von E-O gnadenlos immer länger gezogen. Das
Restaurant war das am wenigsten scheußliche der drei
Lokale in der River Street. Das Einkaufsviertel kämpfte
seit Jahren ums Überleben. Leere Ladenlokale wurden
vermietet, aufwändig herausgeputzt als Boutiquen oder
schicke Schreibwarenläden oder Läden für pädagogisches
Spielzeug, und siechten, nach einem kurzen Aufflackern
der Neugier der Kunden, dahin, standen wieder leer, die
Fenster verklebt mit Packpapier. Das «Hässliche Entlein»
hatte ein Schild mit einem Schwan darauf. Nur von den
beiden hinteren Fenstern aus blickte man auf den Fluss,
aber das pseudoalte Interieur – dunkel gebeizte Eichen-
balken, grob gezimmerte Ahorntische, Kellnerinnen mit
Rüschenschürzen über ihren Bluejeans – war gemütlich
und in akustischer Beziehung gnädig. Die Speisekarte
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mit Fleisch- und Kartoffelgerichten wurde unterwandert
von Pasta-Salaten und makrobiotischen Suppen; dennoch
bestellte Ed ein Reuben-Sandwich, dick belegt mit Käse
und fettem Pastrami, dazu Pommes frites und ein Hei-
neken. Seit seiner Zeit bei IBM hatte er zwanzig Pfund
zugenommen. Unternehmerischer Erfolg und teure Klei-
dung verliehen seiner Korpulenz Autorität. Als der Mann
an der Spitze, der mit den Kunden, den Vertretern der
Unternehmen, verhandelte, hatte er sich angewöhnt, An-
züge mit Hemd und Krawatte zu tragen. Owen blieb dem
Aufzug der Studenten der fünfziger Jahre treu: Khakiho-
sen und weiche Flanellhemden, im Winter ergänzt durch
eine Daunenweste. Während der Affäre mit Faye und ih-
rem schmerzlichen Nachspiel hatte er fünf Pfund abge-
nommen, und er hatte sich bemüht, dass es dabei blieb,
stolz auf seine neuerdings drahtige Figur. Er kam sich
wendiger vor, gefährlicher. Er hatte schwarze Rollkragen-
pullover entdeckt und war in einen Hallentennis-Club in
Upper Falls eingetreten. Als längeres Haar auch für Män-
ner akzeptabel wurde, zeigte seines mehr Fülle und die
Neigung, Locken zu bilden.
«Du sprichst jetzt wovon?», fragte Ed. «Von deinem Pri-
vatleben? Da hast du das Nächste schon gehabt.»
Owen errötete. Er wollte sich weismachen, dass sein
Abenteuer mit Faye, wenn schon nicht geheim, so doch
ein verbotenes Gesprächsthema für Ed war, der ihn und
Phyllis schon so lange kannte, dass er irgendwie mit zu
ihrer Ehe gehörte. «Von Computern», erklärte er pikiert.
«Der OS/360 von IBM entwickelt sich zu einem echten
Desaster. Sie stecken Millionen und Abermillionen rein,
und noch immer können sie damit nicht auf den Markt,
wegen all der Fehler. Sie haben tausend Programmierer,
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die draußen in Poughkeepsie daran arbeiten, und es ist,
wie ich höre, ein einziges Durcheinander.»
Ed sagte mit vollem Mund: «Was sollen sie machen? Sie
müssen da durch, wenn sie von ihren Investitionen wieder
etwas rausholen wollen. Sie haben es mit einem Multipro-
grammbetrieb versucht, und das hat Probleme verursacht.
Je größer das Programm, desto leichter t
s ürzt es ab. Ein
Fehler, und alles bricht zusammen.»
«Es sind nicht nur Probleme, Ed, es ist ein grundlegen-
des Ungleichgewicht. Die Kapazität verdoppelt sich lau-
fend, und die Programmierung kann damit nicht Schritt
halten. Die Entwicklung der Hardware ist eine industrielle
Angelegenheit – das sind die Strickwarenfabriken. Softwa-
re ist noch immer wie Heimarbeit – man sitzt zu Hause und
arbeitet an einem alten Handwebstuhl. Fummelkram.»
«Das wird aufgeholt. Elektrotechnik ist das, was alle stu-
dieren, das heutige Jedermanns-Spielzeug. Weißt du noch,
damals? Da galt Metallurgie als sexy. Ganz zu schweigen
von Atomphysik. Warum sollen wir uns aus der Ruhe brin-
gen
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