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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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«Ich erinnere mich», steuerte sie
    bei, und ihre ausgelaugten Augen wanderten unsicher von
    einem Gesicht zum andern, «dass mein Vater immer die
    Entfernung in Schritten maß für seine alte Kodak. So zum
    Beispiel, wenn er mich und meinen Bruder fotografierte.
    Die Bilder sind erstaunlich scharf geworden. Dabei war
    sogar der kleine dreieckige Sucher abgebrochen. Er hat
    es nach Gefühl gemacht. Ich fand Schnappschüsse immer
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    faszinierend – es gab gar nicht so viele, nicht so viele wie
    heute. Er hat sie in alten Pralinenschachteln aufbewahrt;
    wenn man den Deckel aufmachte, roch m
    an noch schwach
    die Schokolade.»
    «Siehst du», sagte Ian, «dein alter Herr hat, in seinen
    bescheidenen Grenzen, sein Werkzeug beherrscht. Heute
    kann niemand mehr mit Werkzeug umgehen. Es muss alles
    von anderen gemacht werden, von so genannten Experten,
    für fünfundzwanzig Dollar die Stunde. Und dann wird es
    noch schlecht gemacht. Ein Gutes an der derzeitigen so ge-
    nannten Revolution ist, dass Kinder aus der Mittelschicht
    das alte Handwerk aufgreifen, das Tischlern und so, als Re-
    bellion gegen ihre ungeschickten Eltern, die sich nie die
    Einger schmutzig gemacht haben.»
    Die müde Tirade, das wusste Owen, hatte mit Ians
    wachsenden Schwierigkeiten zu tun, Aufträge für seine
    auffallenden Illustrationen zu bekommen, die voller ge-
    künsteltet Verve und frei gelassener Ränder waren; viele
    gerahmte Proben davon, Bilder, die einst in der Post und
    in Colliers und Redbook reproduziert worden waren, hin-
    gen um sie herum an den rissigen Gipswänden. Owen war
    Kunstliebhaber genug, um Ians Kunst nicht weiter ernst
    zu nehmen, mochte aber, zumal da er sein eigenes Arbeits-
    feld verteidigte, seine Gleichgültigkeit nicht zu erkennen
    geben. «Ein Computer ist ein Werkzeug», sagte et. «Seine
    beweglichen Teile sind elektronische Impulse, aber die
    gleichen Tätigkeiten könnten auch mechanisch ausgeführt
    werden – das ist ja das, was Babbage und Pascal lange vor
    dem Computer gemacht haben, aber die Maschinen wur-
    den zu komplex und ließen sich nicht mehr bauen. Ian,
    warum musst du dir eine ganze neue dämonische Welt-
    ordnung ausmalen? Empfindest du das Gleiche, wenn du

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    Brot in einen Toaster steckst, statt es auf einer Pfanne zu
    rösten?»
    «O., Lieber, lass Ian ausreden», sagte Phyllis. «Ich möch-
    te mehr darüber hören, wie es kommt, dass wir alle statt
    menschlicher unmenschlich werden.»
    «A propos mehr. Möchte jemand noch mehr trinken?»,
    fragte Alissa. Es klang so, als hoffte sie, das Angebot würde
    abgelehnt.
    Ian versprach mit bitterem Sarkasmus: «Noch ein Scotch
    auf Eis, Liebes, würde meinen Blick in eine pechschwarze
    Zukunft erheblich erhellen.»
    «Einen sehr schwachen Bourbon, mit Wasser, Alissa», bat
    Phyllis. «Kann ich helfen?»
    «Für mich nur Wasser», sagte Owen, um Phyllis zu tadeln
    und es Alissa recht zu machen, die sich um ihren Mann und
    seinen verschlechterten Zustand sorgte. Der Blick, den sie
    Owen zuwarf, drückte aus, dass sie es waren, die nüchtern
    gegen die anderen standen. Als sie ihre rundlichen nackten
    Beine ausstreckte und sich von dem mit Segeltuch bedeck-
    ten Sofa hochstemmte, regte ihn das zu grafischem Den-
    ken an: Ihre konvexen Schenkel bogen sich steil nach in-
    nen, wo sie zusammentrafen und, ohne ihre grundlegende
    Menschengestalt zu verletzen, in eine konkave Wölbung
    übergingen, die einen Hohlraum umgrenzte, jenseits des
    empfindlichen Vs, das er einmal unerlaubt, in einer elektri-
    sierenden Anwandlung, berührt hatte. Es war spät, Zigaret-
    tenrauch hing in strudelnden Streifen unter der niedrigen
    Zimmerdecke, die unterteilt war durch vanillecremefarben
    gestrichene Balken.
    «Der Kapitalismus», stellte Ian fest, «verlangt von uns
    nur eins: dass wir konsumieren. Je dümmer wir sind, desto
    bessere Konsumenten sind wir; nicht nur konsumieren wir

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    die geschnittene Labbermasse, die man Brot nennt, und
    die Geschirrspüler-Detergentien, die die Fische in den
    Flüssen umbringen, sondern auch Unterhaltung in Dosen.
    Je weniger Reibung es verursacht, Dinge über Augen und
    Ohren aufzunehmen, desto mehr können wir verkraften
    und dafür bezahlen. Kunst im alten Sinne, nämlich dass sie
    etwas Gemachtes ist, mit der Hand Gemachtes, von einem
    Künstler, der sich nur seinem Auge und seinem Schön-
    heitssinn verantwortlich fühlt, die gibt es nicht mehr.
    Wenn er sich früher über seinen Zeichenblock beugte und
    die

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